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Vor 100 Jahren: Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes

Auf dem ersten Kongress der Freien Gewerkschaften nach Beendigung des 1. Weltkriegs wurde am 5. Juli 1919 in Nürnberg der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund gegründet. Es handelte sich dabei weniger um eine völlige Neugründung, als eine Neustrukturierung der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Auf dem Kongress waren 52 Einzelgewerkschaften anwesend, die 4,8 Millionen Mitglieder vertraten. Zum ersten Vorsitzenden wurde der altgediente Gewerkschafter und Sozialdemokrat Karl Legien gewählt.

Als „Freie Gewerkschaften“ bezeichneten sich hierbei die sozialistisch orientierten Gewerkschaften, die sich damit von den arbeitgebernahen liberalen Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften sowie dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands absetzten.

Die Neustrukturierung wurde als nötig angesehen, da es während des Krieges und der Revolution zu zahlreichen internen Konflikten innerhalb der Gewerkschaften und der Generalkommission gekommen war. Diese Konflikte fanden zunächst vor allem zwischen Kriegsgegner*innen und -befürworter*innen, beziehungsweise solchen, die während des Krieges Streiks und ähnliche Proteste vermeiden wollten („Burgfriedenspolitik“), statt. Später, während der Revolution, kam es zu Konflikten zwischen unterschiedlichen revolutionären und reformerischen Strömungen. Dementsprechend erklärte sich der ADGB bei seiner Neugründung als parteipolitisch Neutral, um sich weiterhin auf Gewerkschaftsarbeit konzentrieren zu können, ohne dabei durch die zum Teil starken Gegensätze zwischen SPD, USPD und KPD behindert zu werden.

Demonstration gegen den Kapp-Putsch
Demonstration gegen den Kapp-Putsch, Quelle: Wikimedia Commons

Den Höhepunkt seines Einflusses hatte der ADGB in den frühen 20er Jahren. 1920 waren 8,1 Millionen Gewerkschaftsmitglieder in den Gewerkschaften des ADGB organisiert, seinerzeit der größte Gewerkschaftsbund der Welt. Diesen Einfluss konnte der Verband vor allem während des reaktionären Kapp-Putsches im März 1920 geltend machen. Der vom ADGB ausgerufene Generalstreik, dem sich andere Verbände mit weiteren ca. 4 Millionen Arbeitern anschlossen, trug wesentlich zum Scheitern des Putsches bei.

In den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der 1920er verringerten sich diese hohen Mitgliederzahlen jedoch schnell wieder. Bis 1924 war die Mitgliederzahl um beinahe die Hälfte gesunken, 1926 war mit ca. 3,9 Millionen Mitgliedern ein vorläufiger Tiefstand erreicht.

Einen weiteren Einschnitt musste der ADGB 1929 mit der Gründung der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) verzeichnen. Diese war von der KPD auf bestreben der Sowjetunion ins Leben gerufen worden. Auch wenn die RGO weitaus geringere Mitgliederzahlen hatte als der ADGB (die Schätzungen liegen zwischen 225.000 und 322.000 Mitgliedern im Jahr 1932), trieb diese Entwicklung doch die Spaltung der linken Arbeiterbewegung voran.

Das Ende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes kam kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Zwar behaarte die Führung auf ihrer parteipolitischen Neutralität, der Vorsitzende Theodor Leipart distanzierte sich von der SPD und bot dem neuen Regime die Zusammenarbeit an. Aber auch das konnte die offizielle Zerschlagung des ADGB nicht abwenden. Am 2. Mai 1933 wurden in ganz Deutschland Gewerkschaftshäuser von SA und NSBO gestürmt und besetzt, das Gewerkschaftsvermögen wurde beschlagnahmt. Es kam zu Gewalt gegen Gewerkschafter*innen, etliche wurden verhaftet, eine unbekannte Zahl starb in Konzentrationslagern. Etliche ehemalige Mitglieder agitierten im Untergrund weiter gegen das nationalsozialistische Regime.

Siehe auch:

Uns bleibt neben dem Vermächtnis zur Einheitsgewerkschaft der Kampf für Freiheit und Demokratie“

Gedenken an Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933