aus dem Magazin Verschiedenes

Glück gegen den Trend

Aus der Sperre Frühjahr 2019

Festival macht Rudolstadt wieder zum Mekka der Weltmusik

Jedes Jahr Anfang Juli wird ein kleiner Ort in Thüringen zum Mekka der Weltmusik. Für vier Tage und vier Nächte verwandelt sich die beschauliche Residenzstadt Rudolstadt in ein regelrechtes Heerlager. Die gesamte Innenstadt wird zum Festivalgelände, und passend zum Programm bevölkern bunte und vor allem tiefenentspannte Menschen die Gassen.

Foto: Peter Andres
Foto: Peter Andres

Und immer auf der Suche nach unbekannten und vertrauten Klängen und einer ganz neuen musikalischen Entdeckung. Rudolstadt hat wieder gerufen und alle sind dem Ruf gefolgt. Jedenfalls diejenigen, die wissen, was hier am Wochenende passiert. Denn dass hier etwas Besonderes passiert, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Ganz gegen dem Trend bei anderen Open-Air-Festivals, die über schwindende Besucherzahlen klagen, wuchs die Zahl der Teilnehmer*innen in Rudolstadt kontinuierlich. Im Jahr 2016 waren es sogar fast 90.000 Besucher*innen, verteilt auf die vier Festivaltage. In der Innenstadt wurde es zunehmend eng, und vor den großen Bühnen auf der Heidecksburg oder im Heine-Park gab es kaum noch ein Durchkommen. Zuviel, wie die Festivalleitung befand. Und – wie von vielen Besucher*innen gewünscht – wurde ab 2017 die zahl der Dauerkarten begrenzt und die Tageskarten wurden gänzlich abgeschafft . Mit Erfolg, wie auch das Festival im Vorjahr zeigte.

Das typische Flair des Festivals ist wieder da

Das dem Rudolstadt-Festival eigene entspannte Flair ist wieder zurück. Und man kommt gut durch zum nächsten Konzert. Und dies ist wichtig. Fanden am Juli-Wochenende im vergangen Jahr doch mehr als 300 Konzerte statt . Was für eine(n) natürlich gar nicht zu schaffen ist. Eine gute Planung ist also angesagt. Und das Programmheft mit seinen mehr als hundert Seiten ist dabei eine gute Stütze vor und während des Festivals. Natürlich gibt es mittlerweile auch die App mit den wichtigsten Daten. Aber das Heft ist umfangreicher und praktischer (zum Beispiel als Sonnenschutz). In jedem Jahr rückt die Musik eines Landes besonders in den Fokus. Einmal kommt sie aus Eu­ropa und einmal von außerhalb, stets im jährlichen Wechsel. In 2018 war das singfreudige Est­land an der Reihe. Rasch fiel den Zuhörern*innen auf: Estland ist mehr als nur Chormusik. Ob die impulsiven Curly Strings oder die estnischen Stimmen Maarja Nuut und Mari Kalkun oder das seltsame Duo Puuluup. Namen, die einem vorher nichts sagten, wurden im Handumdrehen zum heißgeliebten Geheimtipp.
Aber so ist das in Rudolstadt. Wer hat denn schon etwas von Mashrou Leila gehört: In ihrem Heimatland, dem Libanon, sind die fünf Männer schwer angesagt. Ihre Musik von Kammerspiel bis Stadionrock ist ständig im Visier der Mächtigen. Nicht zuletzt wegen ihrer auf Toleranz ausgerichteten politischen Botschaft. Womit sie despotischen Machthabern ein Dorn im Auge sind. In Ägypten wurden Fans direkt aus dem Konzert heraus verhaftet. In Rudolstadt haben sie am Festival-Wochenende den Heine-Park zum Beben gebracht.

Foto: Peter Andres

Magische Momente aus dem Gastland Iran

Zu den bekanntesten Namen im vorigen Jahr gehörte neben dem Texas-Rocker Steve Earle zweifelsohne Graham Nash, der mit Verstärkung an Keyboard, Gitarre und Gesang auf­trat. Als Mitglied von Crosby, Stills, Nash and Young hatte er schon beim legendären Woodstock-Festival einen umjubelten Aufritt. Und seine Botschaft war und ist aktuell wie ehedem: „Military madness is killing my country!“. Er finde es nach wie vor wichtig, so Graham Nash in einem kürzlich geführten Interview, sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Als dann zu später Stunde auch noch „Teach your children“ und „Our house“ im Park erklangen, war so manches alte Hippie-Herz nicht mehr ganz im Hier und Jetzt… Aber egal, ob Hippie-Musik, HipHop, neue Liedermacher wie Gisbert zu Knyphausen oder das Gamelan-Orchester aus Thailand – wer sich mit offenem Herzen und Verstand durch dieses Festival
gleiten lässt, wird fündig. Und glücklich.
Kleiner Blick nach vorne gefällig? In diesem Jahr wird Iran der Länderschwerpunkt sein beim Festival vom 4. bis 7. Juli. Aber ganz egal, wer dann auftritt, es wird wieder magische Momente geben. Ganz sicher.

Norbert Attermeyer
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