Arbeit

Vom Regen in die Traufe

Das Recht falsch angewendet

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Gemeinsames Lesen mit Verstand
Balko Klattmor ist eine ausgedachte Person. Die Geschichte aber ist wahr. Jemand anders hat sie so ähnlich erlebt.

Sieben Jahre hatte Balko Klattmor beim Reinigungsunternehmen gearbeitet, gut 30 Stunden in der Woche. Er hatte vier verschiedenen Einsatzstellen, im Schnitt pro Tag drei, mit entsprechenden Fahrzeiten und Lücken zwischen den Einsätzen. Balko hat nicht gemurrt, er hat gedacht, naja, schon sieben Jahre, das ist ordentlich. Dann brachen die beiden größten seiner vier Aufträge weg. Balkos Firma dachte nicht an sieben Jahre, sie kündigte einfach, aus betrieblichen Gründen. Balko gefiel das nicht, er legte auf den Rat einer Freundin beim Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage ein.
Eine Woche vorm Gerichtstermin nimmt die Firma die Kündigung zurück.

Sie bietet ihm eine neue Einsatzstelle, allerdings mit weniger Stunden und schlechteren Bedingungen. Balko akzeptiert. Jedoch läuft der neue Auftrag nicht lange gut. Erneut bekommt Balko einen neuen Einsatzort zugewiesen, inzwischen soll er nur noch 18 Stunden pro Woche putzen. Balko hatte genug von der Firma, die sich einen Dreck schert um den einmal abgeschlossenen Arbeitsvertrag von 30 Stunden. Er sagt seinem Einsatzleiter, das macht er nicht mehr mit, jetzt sei Schluss.
Balko geht zum Arbeitsamt, also zur Arbeitsagentur. Balko wundert sich nicht, dass er erst mal zwölf Wochen Sperrzeit kriegen soll. Später wird er nur wenig Arbeitslosengeld kriegen, weil er ja wenig verdient hat.

Weil Balko keine großen Rücklagen hat, geht er zum Jobcenter. Das Jobcenter fragt alles Mögliche, dann kriegt er Hartz IV – erst mal gekürzt, denn er hat ja selbst seine Arbeit aufgegeben. Seine Vermittlerin im Jobcenter heißt Jobcoach. Sie bietet jedoch keinen neuen Job, sondern schreibt ihm: „Sie sind 63 Jahre alt, dann müssen alle Hartz IV-Bezieher in Rente gehen. Auch wenn Sie wegen vorzeitigem Renteneintritt eine Rentenkürzung bekommen. Nur wer noch einen versicherten Job hat oder wer bald einen solchen Job hat oder wer noch Arbeitslosengeld bezieht, braucht den Antrag nicht stellen. Wenn Sie den Rentenantrag selbst nicht stellen, werden wir das für Sie tun. Also zeigen Sie mir in vier Wochen, dass Sie die Rente beantragt haben.“

Balko geht zur Rentenkasse und stellt den Rentenantrag. Der Rentenbearbeiter sagt, das komme ihm komisch vor, er solle sich noch mal ordentlichen Rat holen. Balko bleibt dabei, er braucht die Bescheinigung, dass er die Rente beantragt hat. Der Rentenmann sagt ihm noch, er könne den Rentenantrag zurücknehmen, solange es noch keinen Rentenbescheid gibt. Balko geht zum Jobcenter und zeigt die Bescheinigung vor.

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Mit 63 müssen nicht alle Hartz-IV Bezieher in Rente gehen

Aber der Zweifel nagt. Er sucht sich jemanden, der besser Amtsdeutsch kann als er selbst. Gemeinsam lesen sie noch mal, was die Jobcoach geschrieben hat: „Nur wer noch einen versicherten Job hat oder wer bald einen solchen Job hat oder wer noch Arbeitslosengeld bezieht, braucht den Rentenantrag nicht stellen.“ Diesen Satz schrieb die Jobcoach, ohne ihn zu verstehen, auch Balko las ihn zunächst ohne Verstand. Jetzt versteht er. Er schreibt der Rentenkasse und dem Jobcenter, dass er den Rentenantrag zurücknimmt, weil er ja Arbeitslosengeld bekommt. Dann kramt Balko gleich noch den alten Sperrzeitbescheid heraus. Ob der denn auch wohl nicht ganz in Ordnung war? Balko und der Freund suchen und sie finden. Nicht Balko hat den Arbeitsvertrag gekündigt, sondern das Reinigungsunternehmen hat ihm mit den gekürzten Arbeitszeiten eine Änderungskündigung ausgesprochen.

Weder er selbst noch der Sachbearbeiter im Amt kannte sich damit aus. Den neuen kleineren Lohn muss Balko nicht akzeptieren. Er darf ablehnen, und die Arbeitsagentur darf Balko nicht dafür bestrafen, dass er die willkürliche Verschlechterung des Arbeitsvertrages nicht hinnimmt. Balko beantragt auch die Rücknahme der Sperrzeit, weil die Arbeitsagentur das Recht falsch angewendet hat.

Arnold Voskamp
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