Sozialgericht Karlsruhe betont erneut Erschwernisse im Alltag von Arbeitssuchenden und ihren Angehörigen durch Covid-19
Der Corona-Zuschuss in Höhe von 150 Euro an die Empfänger*innen von Grundsicherung ist zu gering und verfassungswidrig. So sieht es das Sozialgericht in Karlsruhe (S 12 AS 711/21 ER – Beschluss vom 24.3.2021). Die Bundesregierung plant den Betrag zunächst einmalig an Personen, die im Mai 2021 Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld erhalten, zu zahlen.
Die Antragstellerin ist eine alleinerziehende Frau aus Rastatt. Sie hatte zuvor beim Jobcenter ohne Erfolg um FFP2-Masken für sich und ihre herzkranke Tochter gebeten. In einem Eilverfahren vor dem Karlsruher Sozialgericht beantragte sie dann die Bereitstellung von FFP2-Masken oder einer entsprechenden Geldleistung, um das zweijährige Kind im Öffentlichen Nahverkehr zu den wöchentlichen Behandlungen bringen zu können.
Das Jobcenter lehnte den ursprünglichen Antrag mit der Begründung ab, dass ein finanzieller Mehraufwand für die bisherigen 12 Monate Pandemie bereits durch die Einmalzahlung in Höhe von 150 € und die zehn FFP2-Masken gedeckt werden würde.
Das Sozialgericht Karlsruhe sieht das in der Begründung des jetzt gefällten Urteils ganz anders. Demnach seien die Hilfeleistungen in Form von einmalig 150 Euro und 10 Masken nicht ausreichend, kämen zu spät und beruhten auf einer fehlerhaften Berechnung. In der Urteilsbegründung führt das Gericht aus, dass erwerbslose Menschen häufig weniger anpassungsfähig auf die Erschwernisse durch Covid-19 reagieren könnten. Personen ohne Kontakt mit „dem sog. ‚Hartz-IV‘-Milieu“ mangele es oft an Vorstellungskraft über individuelle oder strukturelle Herausforderungen im Pandemie-Alltag. Das Gericht warnt vor einer verstärkten Entfremdung sozialer Schichten durch den anhaltenden Lockdown. Die besondere Härte, mit der die Pandemie-Situation Arbeitssuchende und ihre Angehörigen trifft, sei dadurch für viele nicht sichtbar.
Foto: © Agneta Becker
Der Beschluss gilt vorerst nur für den konkreten Fall. Das Sozialgericht Karlsruhe macht in seinem Urteil zudem deutlich, dass es einen Krisenzuschlag auf die Grundsicherung in Höhe von mindestens 100 Euro für jeden Pandemiemonat als notwendig erachtet und reiht sich damit in die Forderungen von Sozialverbänden und Gewerkschaften ein. Eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Urteil steht aus.
Das gleiche Gericht hatte im Februar bereits einem ähnlichen Antrag stattgegeben und dem Jobcenter aufgetragen, Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II monatlich 129 Euro für FFP2-Masken zu zahlen oder jede Woche 20 Masken bereitzustellen.
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