Seit 1991 ist Rudolstadt in Thüringen jährlich Austragungsort des wichtigsten Folk-Roots-Weltmusik-Festivals Deutschlands. Es findet traditionell Anfang Juli statt und ist 2011 auf vier Tage verlängert worden, um den Besucherzahlen gerecht zu werden. Mittlerweile gilt es als eines der bedeutendsten und größten Folkfestivals Europas.
Beste Bedingungen.
Tatsächlich wird ganz Rudolstadt mit seinen gut 20.000 Einwohnern für vier Tage zur Bühne: Der Marktplatz und die Gassen der Altstadt, viele städtische und kulturelle Einrichtungen, die Heidecksburg über der Stadt und nicht zuletzt der Heinepark (jenseits der Saale für Auftritte bis weit nach Mitternacht) stellen dann mehr als 20 Bühnen bereit, auf denen im letzten Jahr über 150 Bands aus 40 Ländern an die 300 Konzerte ablieferten.
Somit gab es mehrere Gelegenheiten, einen bestimmten Künstler zu sehen und für den ambitionierten Festivalbesucher einige Kombinationsmöglichkeiten, um keinen der für ihn interessanten Auftritte zu verpassen. Theoretisch. In der Praxis ist der Veranstaltungsplan trotz des aufwendigen Angebots zwar sehr übersichtlich und alle Bühnen sind gut zu Fuß erreichbar, aber das Kulturdezernat hat auch 12 Monate hindurch ganze Arbeit geleistet bei seiner weltweiten Suche nach immer wieder neuen musikkulturellen Kleinoden wie auch zugkräftigen Attraktionen. Und ob nun bereits international bekannt oder eben erst regional in irgendeinem Winkel der Welt auf der Bildfläche erschienen: Alle Auftretenden werden nur einmal nach Rudolstadt eingeladen.
Weltmusik. Was sonst?
Um zu beschreiben, was man hier zu hören bekommt, ist es vielleicht etwas unglücklich, seltsam nichtssagende Begriffe wie Weltmusik zu bemühen. Voraussetzung für eine Einladung nach Rudolstadt ist das musikalische Bekenntnis zu traditionellen Elementen, auch wenn diese nur einen Teil der angewandten Stilmittel darstellen – was im letzten Jahr nicht selten der Fall war.
Wenn tief in der Zeit verwurzelte Ausdrucksformen auf zeitgenössische treffen, ist das Ergebnis gerne mal ein bunter Strauß kunstvoll verflochtener Einzelteile, die trotzdem nicht zueinander finden – oder sich sogar gegenseitig verwässern. Anoushka Shankar und ihrem Ensemble ist es 2016 tatsächlich gelungen, Jahrtausende alte nordindische Klassik und Minimal Techno über das gemeinsame hypnotische Element der Wiederholung musikalisch sinnvoll zu verbinden. In manchen Momenten wird selbst der Eindruck von Anachronismus überwunden und Musik als zeitlose Sprache erlebbar, in der es nur unterschiedliche Dialekte gibt.
Viel Resonanz erntete die Gruppe Gangstagrass aus New York, deren im Namen bereits anklingenden Komponenten Bluegrass und Rap unerwartet organisch zusammen arbeiteten. Da wurde nicht etwa launiger Folk mit coolem Gangsterzeug „getunt“, was ja auch ganz nett gewesen wäre, aber eben nicht wirklich in dieses Festival paßt. Die Veranstaltung lebt von Musikern, die ihre Musik ernst nehmen und Besuchern, die dafür offene Ohren mitbringen.
Neben den vielen Auftritten auf den Bühnen gibt es auch noch zahlreiche zusätzliche Angebote wie Vorträge und Workshops (z.B. Tanzworkshops im großen Tanzzelt im Heinepark, zuletzt zu bretonischer Live-Musik).
Das kann man natürlich nicht alles mitnehmen. Aber man kann sich z.B. noch einige Wochen lang mit den Aufzeichnungen vieler Radiosender trösten. Arte installiert an der Großen Bühne im Heinepark regelmäßig zwei Kamerakräne für Livestreams im Internet und stellt dort auch über längere Zeit komplette Auftritte in der Mediathek bereit. Darüber hinaus laufen Beiträge über das Festival auf Arte/TV.
Back to the RUTH!
Vom 6. bis 9. Juli gibt es in wenigen Wochen die 27. Ausgabe. Nach Kolumbien im letzten Jahr ist diesmal Schottland Länder-Schwerpunkt!
Seit 2002 ist die Vergabe des Deutschen Weltmusikpreises RUTH fester Bestandteil des Festivals. Den Hauptpreis bekommt dieses Jahr der Liedermacher und Kabarettist Ringsgwandl.
Hier kann man sich über die aktuelle Entwicklung des diesjährigen Programms informieren.
Mit Blick auf die letzten Jahre sind sicherlich wieder an die 90.000 Besuchern zu erwarten. Der Bürgermeister bemerkte voriges Jahr in seiner Abschlußrede, daß man sich demnächst der Kapazitätsgrenze nähern könnte. Besucher mit einer Festivalkarte wurden übrigens vierfach gezählt – vielleicht ist ja noch etwas Luft. Werbung hat diese Veranstaltung jedenfalls nicht nötig.
(ds)
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