Zum Leben zu wenig

Post vom Jobcenter: Eine leichte, allgemeinverständliche Sprache angemahnt

Leipziger Sozialwissenschaftlerin promovierte zur Verständlichkeit von Hartz-IV-Bescheiden

An Jobcentern stapeln sich derzeit knapp 180.000 Widersprüche und fast ebenso viele Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide liegen bei den Sozialgerichten. Mehr als ein Drittel der Bescheide ist tatsächlich fehlerhaft – die restlichen beruhen auf Missverständnissen.

Die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Leistner hat in ihrer Doktorarbeit an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) die Ursachen und Gründe für die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Jobcentern und ihren „Kunden*innen“ geforscht.

Dafür hat sie 17 Beratungsgespräche analysiert und über 200 Sozialarbeiter*innen in Erwerbslosenberatungsstellen, also unabhängigen Anlaufstellen, in denen Arbeitslose zu ihren Jobcenter-Schreiben beraten werden befragt.

Eine Hauptursache für die Verständigungsprobleme sei tatsächlich das komplizierte Amtsdeutsch sowie die hochkomplexe Rechtslage. Darüber hinaus sei es aber auch die Arbeitsweise einer Behörde, die vielen Erwerbslosen Probleme bereitet. Dazu kommt als große Barriere, dass viele Erwerbslose generell an der Aufrichtigkeit und dem Wohlwollen des Jobcenters zweifeln.

Jede Wette: Beim nächsten Formfehler gibt er auf…
Karikatur: Gerhard Mester

Man müsse auch beachten, dass es durch die Kommunikation von Jobcentern gegenüber den Kund*innen aufgrund besonders stark wirkender Aspekte von Macht, Abhängigkeit und persönlicher Betroffenheit (die bis zur existenziellen Bedrohung führen kann) zu einer Zuspitzung von Verständigungsbarrieren kommen könne.

„Tatsächlich haben die Jobcenter schon vor Jahren erkannt, dass sie ihre Schreiben überarbeiten müssen. Allerdings hat die Überarbeitung zu keinen substantiellen Verbesserungen geführt“, so Leistner zu einem weiteren Ergebnis ihrer Doktorarbeit.

Die Jobcenter müssten dringend auf eine leichte, allgemeinverständliche Sprache umstellen, sodass die Erwerbslosen auch die Anliegen der Ämter verstehen könnten. Ebenso sei eine „bessere direkte Erreichbarkeit der Jobcentermitarbeiter“ geboten.

„Verständigungsbarrieren in Verwaltungsschreiben sind kein leidliches Übel, das man hinnehmen muss. Ganz im Gegenteil: Behörden sind in der Bringschuld, ihr Handeln transparent und nachvollziehbar zu gestalten, um die Akzeptanz der Demokratie und des Rechtsstaats zu erhalten“, so Ulrike Leistner. Dabei sieht sie auch das Engagement unabhängiger Anlaufstellen in der Pflicht, um nachhaltige, strukturelle Verbesserungen zu erreichen.

Ob vielleicht eine Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Hartz-IV & Co. angeraten sei, darauf geht die Autorin nicht ein. Aber vielleicht kann man nur mit einer Vereinfachung der Rahmenbedingungen in der Sozialgesetzgebung auch mit leichter Sprache die Anforderungen an den*die Kund*in bringen?

Originalpublikation: Ulrike Leistner: „Verständigungsbarrieren in der schriftlichen Verwaltungs-Bürger-Kommunikation und die vermittelnde Funktion Sozialer Arbeit“
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-334126

(jgn)