aus dem Magazin

Münsters Wohnungspolitik

Die letzte Printausgabe der SPERRE hatte das Thema Wohnen als Schwerpunkt. Wohnen war inzwischen auch im Rat der Stadt heißes Thema. Zur Diskussion stand eine Milieuschutzsatzung. Sie soll in innenstadtnahen Gebieten Mieter schützen vor Luxusrenovierungen und vor der Verdrängung durch zahlungskräftige neue Bewohner. Wohnungsnot bleibt drängendes Thema, die Politik dagegen lässt zu wünschen übrig.

Münsters Wohnungspolitik findet nicht statt

Vor 5 Jahren feierten Münsters Ratsfraktionen vereint ihr Konzept der sozial gerechten Bodennutzung. Immer, wenn Flächen zur Bebauung freigegeben werden, sollte ein gehöriger Teil von 30 % für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Mit diesem großen Wurf sollte auch einfachen Leuten das Wohnen in Münster möglich sein und bleiben.

Was ist seitdem geschehen?

Als erstes hat die Stadt die Fläche neben dem Parkhaus Engelstraße/Herwarthstraße für Hotelbau verkauft. Laut Ausschreibung sollten Wohnflächen eingeplant werden, 30 % davon für Sozialwohnungen. Unter den Bewerbern für das städtische Grundstück hat derjenige Investor den Zuschlag bekommen, der als einziger Mitbewerber ohne Wohnungsbauanteil geplant hat. Das war schon mal ein deutliches Signal.
Der Nachbar von gegenüber, der Hochhausinvestor Deilmann, wollte es nachmachen. Der vertraglich garantierte Anteil für begünstigte Mieten sollte nicht offen vermietet werden, sondern direkt an seine Frau gehen, bzw. an deren Firma für betreutes Wohnen. Nur ein sehr lauter Aufschrei der Stadtgesellschaft hat die Stadtverwaltung in den Kampf gegen Deilmanns Abzocke getragen und dieses Kungelgeschäft verhindert.
Die aufgegebenen Flächen der britischen Armee sind ein ganz großer Ärger. Sie gehören der Bundesregierung bzw. der Bima, das ist die Immobilienverwaltung von Finanzminister Schäuble. Städtische Wohnungspolitik peilt darauf, seit die Briten abgezogen sind. Wohnungspolitik, erst recht soziale Wohnungspolitik, ist nicht das Hobby von Schäuble oder seinem münsterländischen Staatssekretär Jens Spahn. Die Bundestagsabgeordneten der großen Koalition hatten vor der Wahl versprochen, dass sie sich stark machen für sozial verträgliche Grundstückspreise für die Kasernenflächen. Schäuble sagt: Geht nicht! Frau Benning (CDU) sagt: Schade. Zwischenzeitlich hat die Bima Häuser für Geflüchtete bereit gestellt, das läuft aber auch aus. Der Preis steigt und Schäuble kann warten. Er hat ja seine Wohnung. Und Münsters Wohnwillige warten weiter.
Ganz viele Neubauwohnungen sind nötig und sind versprochen. Was heute aber gebaut wird, ist Anfang der Neunziger Jahre geplant worden. Neues ist nicht in Sicht.

Milieuschutzsatzung auf Eis gelegt

Darum verschärft sich der Druck auf die bestehenden Wohnviertel. Das ist schon viele Jahre zu bemerken, aber angesichts von Landflucht und zunehmenden Einpendlerzahlen hat die Nachfrage nach Wohnungen deutlich zugenommen. Gut Verdienende haben die Mittel, um Dynamik auf den Wohnungsmarkt zu bringen. Arme Mieter, oder solche mit sozialen Schwierigkeiten, schauen in die Röhre. Jeder Eigentumswechsel bringt die älteren Mieter in die Gefahr, dass ihre Wohnung aufwendig saniert wird. Einfache Leute können das dann nicht mehr bezahlen, sie werden verdrängt. Sind die Wohnungen freigezogen, kann das Haus ohne Aufwand in Eigentumswohnungen umgewandelt und teurer verkauft werden. Unter Druck stehen dabei tendenziell die innenstadtnahen Wohngebiete. Im Kreuzviertel ist es weitgehend abgeschlossen, jetzt geht es eher um Hansaviertel und Südviertel.
Ein Mittel gegen solche Luxusrenovierungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen ist eine sogenannte Milieuschutzsatzung, Damit werden besondere Genehmigungen für aufwendige Renovierungen und Umwandlungen nötig. Nach Beobachtungen in anderen Städten, beispielsweise Hamburg, bremst eine solche Satzung die Umwandlungsprozesse in bedrohten Vierteln.
In Münster hatten SPD, Linke und Grüne eine solche Milieuschutzsatzung in die Diskussion gebracht. An den wechselnden Koalitionsspielen ist diese Satzung gescheitert. Zunächst wollte die SPD kein Bündnis mit den Linken. Jetzt im Sommer 2017 hat die neue städtische Koalition von CDU und Grünen diese Satzung auf die lange Bank geschoben. Dabei haben die Grünen sich sehr stark verbiegen und eine fette Kröte schlucken müssen. Sie mussten sich deutliche Worte von Mieterinitiativen und auch von der Opposition im Rat anhören.
Es ist keine gute Zeit für Wohnungspolitik in Münster. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist so groß, eine Entlastung durch viele Neubauten ist nicht in Sicht. Wohnen bleibt Thema der politischen Debatten, auch das Thema Milieuschutzsatzung wird nicht endgültig in der Schublade verschwunden sein.

Paritätische Forderungen für eine soziale Wohnungspolitik (in Stichworten):

Bezahlbaren Wohnraum schaffen:
• Sozialwohnungsbau verstärken, aktuell gehen pro Jahr 80 000 Sozialwohnungen verloren
• Gemeinnützigen Wohnungsbau reaktivieren, das bedeutet, Renditen im Wohnungsbau begrenzen
• Sozial gerechte Bodenvergabe, Verkauf von staatlichen Wohnungsbauflächen nicht zu Höchstpreisen sondern nach Maßstäben einer sozialen Wohnungspolitik
Gleichberechtigte Zugänge zu Wohnraum schaffen:
• Zugang besonderer Bedarfsgruppen verbessern. Arme, Behinderte, Migranten, Haftentlassene und andere benachteiligte Gruppen erleben besondere Diskriminierung am Wohnungsmarkt.
• Sicherstellung barrierefreien Wohnraums
Bestehenden Wohnraum sichern:
• Angebote zur Verhinderung von Wohnungsverlust verstärken
• Mietrechtliche Situation sozialer Träger verbessern
• Wohngeld jährlich an gestiegene Mieten anpassen
• Mietobergrenzen bei Alg II und Sozialhilfe an reale Mietkosten anpassen
• Kosten von Energie und Sanierung sozialverträglich gestalten, Mieterhöhung nach Sanierung begrenzen
Inklusives Gemeinwesen fördern:
• Nachbarschaften und Gemeinwesen stärken
• Mobilität außerhalb der Ballungszentren fördern als Bedingung zur gesellschaftlichen Teilhabe, Sozialticket

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