Arbeit und Soziales Rund um Münster

Vorerst kein Einstieg in den 30-Minuten-Takt

Die Stadtwerke Münster sehen Personalmangel, Bürokratie und die zu langsame Digitalisierung als Gründe für die Probleme in ihrem Busverkehr

Von Hans Römer Santaella

Die Situation bei den Stadtwerken Münster bringt nicht nur ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in eine schwierige Lage, sondern auch die gesamte Münsteraner Bevölkerung. Die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs müssen sich ab jetzt daran gewöhnen, später nach Hause zu kommen oder früher aufzustehen, um es rechtzeitig zur Arbeit zu schaffen. Der Personalmangel ist uns allen bekannt – wegen und auch nach der Pandemie. Aber was genau steckt dahinter?

„Wegen Corona mussten die Fahrschulen schließen, wir haben nur die Absolventen, die in 2019 angefangen haben, und immer weniger Menschen, die sich für die Schwerfahrzeugausbildung interessieren. Diese Lücken bestehen eben noch“, erklärte Florian Adler, Pressesprecher „Mobilität“ der Stadtwerke Münster. Er unterstrich, dass die gesamte Ausbildung mindestens drei oder sogar vier Jahre dauern kann. Genügend Kräfte gibt es offensichtlich beim „Ticket Prüfungspersonal“. Sie sind normalerweise mit drei Kontrolleurinnen oder Kontrolleuren aktiv und achten auf allen Linien in den Bussen darauf, dass die Fahrgäste nicht schwarzfahren. Ihre Nutzung als oder ihre Umschulung zur Busfahrerin oder zum Busfahrer schätzt Florian Adler skeptisch ein. Auch als Ersatzkraft käme dieses Personal nicht in Frage.
„Früher haben wir Busfahrer und -fahrerinnen auch in der Ticketkontrolle eingesetzt. Jetzt brauchen wir dieses Personal zum Fahren. Deshalb haben wir Menschen ohne Busführerschein eingestellt. Denn auch die Ticketkontrollen müssen wir weiterhin durchführen. Wir können die Kontrollen nicht komplett fallen lassen und diese Menschen alle zu Busfahrern umschulen. Schließlich müssen sie einerseits erst einmal die Ausbildung machen und andererseits müssen sie diese auch wollen“, verdeutlicht Adler. Außerdem besitze das Kontrollpersonal oft keine Fahrerlaubnis – nicht einmal eine für die Klasse B.

Busfahrer*innen händeringend gesucht

Obwohl bundesweit verschiedene Einrichtungen wie auch private Bildungszentren schnellere Ausbildungen als die oben beschriebene anbieten, hängen die Zeiträume und Prozesse der Fahrausbildung immer noch stark von den individuellen Vorkenntnissen ab – sowohl von den bereits vorhandenen beruflichen Erfahrungen als auch von der Vorbereitung der Bewerberinnen und Bewerber.
Die SBH-Gruppe (Stiftung Bildung & Handwerk), ein bundesweit und international tätiger Unternehmensverbund und Bildungsdienstleister, bietet zum Beispiel die „Beschleunigte Grundqualifikation für Umsteiger von Lkw auf Bus (gemäß Bkr- FQG)“ an. In Münster gibt es diese Möglichkeit für Schwerfahrzeugfahrer und fahrerinnen gerade erst seit dem 1. Dezember 2023. Damit soll der berufliche Umstieg erleichtert werden.
„Wir stehen ständig in Kontakt mit allen Arbeitsagenturen und Jobcentern. Wir wissen, wo wir realistische Perspektiven für unsere Interessierten bieten können. Wir wissen, wie wichtig es ist, diese Stellen zu besetzen. Daher bieten wir diese kurze Schulung als besondere Maßnahme an, um den bestehenden Mangel auszugleichen“, erklärt Marion Peuker-Franz, Ansprechpartnerin bei der SBH Münster.
Sie betont jedoch, dass es nicht so einfach sei, Menschen zu finden, die die Prüfungen in der vorgegebenen Zeit leicht und schnell bestehen könnten – trotz des Angebots zur verkürzten Umschulung vom Lkw- aufs Busfahren in etwa vier bis fünf Monaten.
„Es kann viele qualifizierte Menschen geben, aber einige haben Schwierigkeiten, die Prüfungen bei der IHK zu bestehen, andere haben das, was wir als Prüfungsangst bezeichnen. Ihnen bieten wir auch pädagogische Begleitung“, betont die SBH-Mitarbeiterin, die die kritische Situation in Münster kennt.

Anforderungen in Theorie und Praxis

Stadtwerke-Sprecher Adler hebt dazu die rigorosen Kontrollen, das Testen sowie die psychologischen und gesundheitlichen Untersuchungen hervor, denen sich angehende Busfahrerinnen und Busfahrer unterziehen müssen. „Nicht jeder kann es. Der praktische Teil der Ausbildung ist sehr wichtig. Man darf keine Punkte in Flensburg haben. Bewerber müssen in der Lage sein, richtig zu handeln, wenn es darum geht, 100 Fahrgäste zu befördern“, fügt er hinzu.
Ein weiteres offensichtliches Problem, das den Personalmangel im Bussektor direkt verschärft, hängt mit der Integration von ausländischem Personal zusammen, insbesondere mit dem entscheidenden Thema, der Sprachbarriere.
Die HRC Akademie in Münster z.B. bietet spezielle Deutschkurse speziell für an der Busfahrerausbildung Interessierte an. Doch auf ihrer Website wird dieses passgenaue Angebot nicht explizit aufgeführt. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten jedoch personalisierte Termine an, um jeden Fall individuell zu prüfen – abgestellt auf die Deutschkenntnisse der Interessenten. Zu der Dauer der Kurse und des gesamten Prozesses sagen sie am Telefon: „Es könnten ein paar Monate vergehen.“

Der Führerschein-Dschungel

Auf der anderen Seite benötigt eine Person mit einem ausländischen Führerschein der Klasse B und Erfahrung im Fahren von Schwerfahrzeugen mindestens ein Jahr zum Umschreiben des Führerscheins.
Auf der offiziellen Internetseite des Straßenverkehrsamtes, das für die Kfz-Zulassung, Fahrerlaubnisse und Fahrschulen in Münster zuständig ist, sind einige Anforderungen aufgeführt: amtlicher Ausweis, biometrisches Lichtbild oder Truppenausweis. Die Gebühr für das Umschreiben beträgt knapp 50 Euro. Außerdem können die Antragsteller*innen auf der offiziellen Website des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr ein pdf-Dokument mit zehn Seiten herunterladen, die durchgearbeitet werden wollen. Sie sollen ausländische Menschen darüber informieren, was abhängig von deren Herkunft berücksichtigt werden muss, um den Führerschein umzuschreiben.
Das Dokument ist in verschiedenen Sprachen verfügbar, unter anderen in Spanisch, Englisch, Französisch, Arabisch, Chinesisch und Russisch. Von Antragsteller*innen der DE-Lizenz für Busse werden neben den bereits aufgeführten Anforderungen auch Bescheinigungen oder Gutachten über ärztliche Untersuchungen, Sehtests und spezielle Untersuchungen für Busfahrer*innen, die älter als 50 Jahre sind, gefordert.

In anderen EU – Ländern wie zum Beispiel Spanien (siehe Website der „Dirección General de Tránsito“(DGT) des Innenministeriums) müssen hingegen nur vier Schritte befolgt werden, um die Umschreibung des Berufsführerscheins zu beantragen:
Es ist erforderlich, in der Sozialversicherung angemeldet zu sein und eine Bescheinigung über mindestens sechs Monate Beschäftigung im öffentlichen Verkehr vorzulegen. Zudem sind die offizielle Übersetzung der Originaldokumentation, die von jeder kompetenten und akkreditierten Stelle ausgestellt werden kann, und eine ärztliche und augenärztliche Untersuchung vorzulegen, die von den autorisierten „Fahrererfassungszentren“ der DGT durchgeführt wird.
In der beigefügten Online-Liste sind Tausende von Zentren – geordnet nach der jeweiligen Region, Stadt und Gemeinde – aufgeführt, wo die Unterlagen eingereicht werden können, wie Supermärkte, Apotheken und Behörden. Alles kostet 94 Euro und der Vorgang, so steht es da präzise „soll innerhalb von eineinhalb Monaten erledigt sein“.

Personalmangel nicht nur im Busverkehr

Als an der Universität Münster studierter Informatiker identifiziert Florian Adler bei seinem Arbeitgeber noch einen anderen Mangel an qualifiziertem Personal, so verweist er auf offene Stellen der Stadtwerke im digitalen Bereich. Die Stellenangebote in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit in Münster für Positionen wie „(Junior) IT-Basis- Infrastrukturmanager“, „Fachkoordinator im Direktvertrieb mit IT-Kenntnissen“ oder „IT Integrationsmanager“ überstiegen sogar die Anzahl der veröffentlichten Anzeigen in der Börse zur Anwerbung von Busfahrer*innen oder Kandidaten für diesen Beruf.

„Es ist allgemein bekannt, dass wir auch einen erheblichen Mangel an Fachkräften im digitalen Bereich haben, und zwar rund um die Berufe Systemmanagement, IT Betreuung oder auch in der Energiebranche“, fügt Adler hinzu: „Wir benötigen auch Personal mit Digitalkenntnissen, das sich zum Beispiel mit Videokonferenzen oder Suchprogrammen auskennt, um Lösungen zu bieten oder um digitale Angebote zu bauen oder zu aktualisieren“.

Und die Folgen?

Am Ende bedeutet der Mangel an Fahrer*innen, dass weniger Busse im Umlauf sein werden, weniger, aber dafür volle Busse ihre teilweise reduzierten Routen fahren, somit mehr Busse stationär im Depot verbleiben und mehr Menschen – gerade jetzt während des kalten Winters –an den Haltestellen längere Zeit warten müssen.
„Für die Fahrgäste ist, was uns am meisten leid tut, unser Kompromiss ein Verlust. Das ist gerade, was eigentlich überhaupt nicht in die Zeit passt, wo man weniger Autoverkehr auch in der Stadt will“, erklärt Adler zur gewünschten Einführung des 30-Minuten-Takts. Dazu, wie lange dieser missliche Zustand noch andauern könnte, sagt er: „Ich möchte keine Schätzung abgeben, weil es mir zu unzuverlässig erscheint“. Und das, obwohl in Zeiten der Klimakrise ein gutes und funktionierendes ÖPNV-Angebot für die Menschen in Münster mehr als angebracht wäre.
Appelle an die Politik und den Gesetzgeber seien notwendig, um zu konkreten Möglichkeiten zu kommen, die Fahrausbildungen im Bereich der Schwerfahrzeuge zu verkürzen: „Der Erwerb des Führerscheins ist ein sehr bürokratischer Prozess, der sehr lange dauert. (…) Aber im Moment müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben.“

Adler betont, dass im kommenden Jahr eine Lohnerhöhung von 14 Prozent anstehe. Die Stadtwerke gewährten zudem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusätzliche Leistungen, zum Beispiel Weihnachtsgeld und andere Vergünstigungen. „Der Job ist nicht schlecht bezahlt. (…) Busfahren ist ein attraktiver Beruf, viele Kollegen und Kolleginnen sagen, es macht wirklich Spaß, sie tun etwas für die Mobilitätswende und ermöglichen Menschen, mobil ohne eigenes Auto zu sein“, wirbt der Sprecher der Stadtwerke für seinen Arbeitgeber.

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