Arbeit

DIW: Trotz Aufschwung: Knapp 25 Prozent aller Jobs haben Niedriglohn!

Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), zeigt, dass 24,5 Prozent aller haupt- und nebenberuflichen Stellen in Deutschland auf den Niedriglohnsektor (unter 10,80 Euro Stundenlohn) fallen. Das sind rund neun Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Dieses Ergebnis ist neu und erschreckend. Die Studie, die sich auf das Jahr 2017 bezieht, hat erstmals Haupt- und Nebenjobs aller in Deutschland Beschäftigten ausgewertet. Bisherige Analysen hatten immer nur die Haupttätigkeiten berücksichtigt.

„Der Arbeitsmarkt boomt und die Arbeitsnachfrage ist hoch. Dennoch arbeitet etwa ein Viertel der abhängig Beschäftigten in Deutschland zu Niedriglöhnen“

Die Auswirkungen von Nebenjobs sind so stark, da inzwischen viele Menschen in einem Nebenjob arbeiten. Und: Nebenjobs werden überdurchschnittlich hoch schlecht bezahlt. 61 Prozent aller Nebenjobs fallen in den Niedriglohnsektor. Auch Menschen mit guter Ausbildung und langjähriger Berufserfahrung sind davon betroffen. Dieser beachtliche Anteil ist im europäischen Vergleich einer der größten.

DIW: Als Niedriglöhne werden Bruttostundenlöhne bezeichnet, die geringer als zwei Drittel des Medianstundenlohns aller Beschäftigten in Deutschland sind. Für die vorliegenden Berechnungen wurde der vereinbarte Stundenlohn verwendet. Für das Jahr 2017 betrug der Medianstundenlohn aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse rund 16,20 Euro und die Niedriglohnschwelle 10,80 Euro.

Niedriglohnsektor im Hauptberuf: Trotz Aufschwung konstant über 22 Prozent
Anteil der Niedriglohnbeschäftigten an allen abhängig Beschäftigten, in Prozent. Grafik DIW Berlin
Anteil der Niedriglohnbeschäftigten an allen abhängig Beschäftigten, in Prozent. Grafik DIW Berlin

Der Niedriglohnsektor schrumpft nicht, obwohl die Wirtschaft seit 2008 boomt und 2015 der neue gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde. Im Jahr 2017 bekamen rund acht Millionen abhängig Beschäftigte einen Niedriglohn für ihre Haupttätigkeit (22,5 Prozent), beinahe drei Millionen mehr als im Jahr 1995.

Niedriglohnsektor im Osten, bei Frauen, bei jungen Erwachsenen und Menschen mit Migrationshintergrund noch höher

Frauen, jungen Erwachsenen, Ostdeutschen und Migrantinnen und Migranten werden überdurchschnittlich häufig Niedriglöhne gezahlt. „So bekommen unter den abhängig Beschäftigten 30 Prozent aller Frauen, 56 Prozent der unter 25-Jährigen, 34 Prozent der Ostdeutschen und über 30 Prozent der Beschäftigte mit (direktem oder indirektem) Migrationshintergrund Stundenlöhne unter der Niedriglohnschwelle“, so das DIW.

Die Niedriglohnfalle

Die Vorstellung, dass Arbeitslose zunächst für ein geringes Salär in den Arbeitsmarkt einsteigen und später Dank Berufserfahrung in eine höhere Gehaltsklasse wechseln könnten, erweist sich als Trugschluss: „Dass der Niedriglohnsektor lediglich als Übergang oder gar als Sprungbrett gilt, erweist sich für die meisten als Illusion,“ so Markus Grabka, einer der Autoren der Studie. Vielmehr gäbe es eine „Niedriglohnfalle“. 62 Prozent aller im Niedriglohnsektor Beschäftigten erhalten der Studie zufolge nach drei Jahren weiterhin einen geringen Lohn.

Das DIW fordert: Geringere Minijobverdienstgrenzen und offensivere Tarifpolitik

Die Autoren der Studie plädieren für eine Absenkung der Verdienstgrenze von Minijobs: „Vor dem Hintergrund des boomenden Arbeitsmarkts ist zu erwarten, dass Minijobs dann in sozialversicherungspflichtige Teil- bzw. Vollzeittätigkeiten umgewandelt werden. Die betroffenen Beschäftigten wären besser entlohnt, würden Sozialversicherungsansprüche erwerben sowie bessere Urlaubsansprüche oder Krankheitsfortzahlungen.“

Ebenso solle eine „offensivere Lohnpolitik“ betrieben werden. Gewerkschaften müssten gestärkt werden und in nicht-tarifgebundenen Bereichen, insbesondere im Niedriglohnsektor, müssen verstärkt kollektive Tarifvereinbarungen angestrebt werden.

Dann könnte es auch mit der Rente klappen!

Hier die Studie…

(jgn)