aus dem Magazin

Der Preistreiber: die energetische Modernisierung

Wenn das Wohngebäude gedämmt wird und die Mieter*innen weniger heizen müssen, ist das für sie dennoch oft genug der absolute Horror

Es könnte so schön sein: Wohngebäude werden energetisch gedämmt, die Umwelt wird geschützt, Energie gespart und für alle wird es auch noch günstiger. Die Realität ist eine andere: Die Mieten steigen mit einem Schlag gewaltig an, die Einsparung an Energie gleicht diese Mehrkosten aber nicht einmal ansatzweise aus. Viele können sich die neue Miete nicht mehr leisten und müssen über kurz oder lang ausziehen.

Ein Gastbeitrag von Ulla Fahle

Erhalten Mieter eine Modernisierungsankündigung, die eine energetische Sanierung des Hauses beinhaltet, bedeutet dies in aller Regel eine massive Erhöhung der bisherigen Miete.

Aktuelle Beispiele wie sich die Miete nach der Modernisierung erhöhen soll:

Mecklenburger Straße: 2,25 Euro pro Quadratmeter und Monat
Stehrweg: 3,13 Euro pro Quadratmeter und Monat
Josef-Suwelack-Weg: 3,50 Euro pro Quadratmeter und Monat
Korte Ossenbeck: 2,14 Euro pro Quadratmeter und Monat
Biederlackweg: 2,19 Euro pro Quadratmeter und Monat

Warum ist das so?

Als ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz wird die Gebäudedämmung gesehen, um den CO2-Ausstoß in Deutschland zu verringern. Das Mietrecht sagt hierzu, dass der/die Vermieter*in alle Kosten am Haus, die eine Verbesserung darstellen – und dazu gehört die Energieeinsparung – dauerhaft auf die Miete umlegen darf, und zwar maximal elf Prozent pro Jahr. Bei den Gesamtkosten gibt es keine Obergrenze.
Auch eine Verhältnismäßigkeit zwischen Energieeinsparung und Kosten einer energetischen Sanierung gibt es nicht: Jede noch so geringe Einsparung bedeutet, dass die Mieter*innen alle damit einhergehenden Kosten zu tragen haben. Der/Die Vermieter*in muss lediglich das Geld vorstrecken, das er/sie in der Folgezeit von den Mieter*innen zurückerhält. Auch nachdem die Investitionskosten durch die Mieter*innen vollständig gezahlt sind, müssen diese weiterhin die erhöhte Miete zahlen. Eine Begrenzung der erhöhten Miete für den Zeitraum bis zur Tilgung sieht das Gesetz nicht vor.
Umweltschutz als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird in diesem Fall allein auf dem Rücken der Mieter*innen ausgetragen.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Modernisierungsmaßnahmen muss der Mieter dulden (§ 555d, Abs. 1 BGB). Darunter fallen bauliche Veränderungen, die

  • nachhaltig Energie einsparen,
  • nicht erneuerbare Primärenergie einsparen oder zum nachhaltigen Klimaschutz führen,
  • den Wasserverbrauch nachhaltig reduzieren,
  • den Gebrauchswert der Wohnung nachhaltig erhöhen,
  • der dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse dienen,
  • der Vermieter nicht zu vertreten hat und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555 a sind oder
  • zur Schaffung neuen Wohnraums führen.

Der/Die Mieter*in muss allerdings bauliche Änderungen nicht dulden, wenn diese für ihn/sie eine besondere Härte bedeuten, die auch unter Beachtung der Interessen des/der Vermieters/Vermieterin nicht hinzunehmen ist. Fälle dieser Art sind in der Praxis nur sehr selten.
Voraussetzung für die Duldung ist, dass der/die Vermieter*in die beabsichtigte Modernisierung drei Monate vor Beginn der Arbeiten mitteilt. Auch hier verhält es sich mittlerweile so, dass die rechtlichen Anforderungen an die Ankündigung immer weiter reduziert wurden und Fehler nicht etwa dazu führen, dass der/die betroffene Mieter*in, wenn er/sie die Maßnahme dennoch duldet, von der Modernisierungsumlage ausgenommen ist.

Mieterhöhung nach Modernisierung

Nach Abschluss der Arbeiten kann der/die Vermieter*in elf Prozent der Baukosten im Jahr auf die jeweilige Miete aufschlagen. Die Beispiele zu Anfang sind bereits das Ergebnis dieser Berechnungen. So führt eine Erhöhung von 3,13 Euro pro Quadratmeter bei einer Wohnungsgröße von 43 Quadratmetern zu einer monatlichen Mieterhöhung von 134,59 Euro. Die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der einzelnen Modernisierungsmaßnahmen spielt dabei keine Rolle.

Finanzielle Härte

Der/Die Mieter*in muss die Mieterhöhung nicht zahlen, wenn sie für ihn/sie eine finanzielle Härte bedeutet. Das klingt gut, ist aber in der Praxis mit kaum lösbaren Problemen und Risiken verbunden. So gibt es keine Quote, die besagt, wann eine finanzielle Härte gegeben ist.
Ende der 1990er-Jahre orientierte man sich noch an einer Quote von 20 Prozent eines Mietanteils am Nettoeinkommen aller Haushaltsangehörigen. Mittlerweile liegt dieser Wert deutlich über 30 Prozent. Die gerichtliche Klärung der Frage, ob tatsächlich eine finanzielle Härte vorliegt und die erhöhte Miete nicht zu zahlen ist, dauert viele Monate. In dieser Zeit muss aber der/die Mieter*in vorsorglich unter Vorbehalt die erhöhte Miete zahlen, sonst riskiert er/sie die Kündigung wegen Mietrückstands.

Der Einwand einer finanziellen Härte kann im Übrigen nicht berücksichtigt werden, wenn

  • die Modernisierungsmaßnahme die Wohnung lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzt,
  • die Maßnahme aufgrund von Umständen durchgeführt wurde, die der/die Vermieter*in nicht zu vertreten hat.

Kritik an der geltenden Rechtslage

Die aktuelle Rechtslage bedeutet, dass Vermieter*innen gleich dreifach von einer Modernisierung profitieren:

  • Die Immobilie wird aufgewertet. Im Falle eines Verkaufs kann der/die Vermieter*in aufgrund der besseren Ausstattung einen höheren Preis erzielen.
  • Durch die Verbesserung der Ausstattung steigt die ortsübliche Vergleichsmiete. Der/Die Vermieter*in kann über eine Grundmietenerhöhung auf Dauer seine Investitionen für die Wertsteigerung des Objektes refinanzieren.
  • Der Vermieter kann die Miete nach § 559 BGB erhöhen, also elf Prozent der Baukosten jährlich auf die derzeitige Miete zuschlagen und erhält trotz der Wertsteigerung und Grundmietenerhöhung eine volle Finanzierung durch den/die Mieter*in.

Die Möglichkeiten der Modernisierungsmieterhöhungen führen dazu, dass Mieter*innen, teilweise ganze Bevölkerungsgruppen, verdrängt werden. Diese Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum wird auch nicht durch einen verstärkten Neubau kompensiert werden. Dieser deckt zum einen kaum den Zuzug in Ballungszentren. Zum anderen werden mit Neuvermietungsmieten von über acht Euro pro Quadratmeter Besserverdienende bedient, nicht die Menschen, die bezahlbaren Wohnraum benötigen.

Viele Vermieter*innen sind der Auffassung, dass der/die Mieter*in sich die höhere Miete über Transferleistungen finanzieren lassen kann. Das ist aber falsch. Jobcenter und Sozialämter übernehmen zwar die tatsächlichen Wohnkosten, aber nur dann, wenn diese auch angemessen sind. In der Regel liegen jedoch die angemessenen Wohnkosten bei einfachen Wohnungen im Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete. Nach Mieterhöhungen in der Folge von Modernisierungen wird diese Miete häufig deutlich überschritten, sodass die erhöhte Miete nur noch zum Teil übernommen wird. Eine sozialrechtliche Regelung, nach der das Jobcenter jede gesetzlich zulässige Mieterhöhung übernehmen muss, fehlt.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Die Kosten der Energiewende im Wohnungsbestand gehen derzeit nahezu ausschließlich zu Lasten der Mieter*innen. Dies bedarf dringend einer Korrektur.
Es muss eine gerechte Verteilung dieser Kosten zwischen Vermieter*in, Mieter*in und Staat geben. Die aktuelle Rechtslage führt dazu, dass Modernisierungen das geeignetste Instrument sind, um zum einen sehr hohe Mieten verlangen zu können und zum anderen auch den Mieterbestand mit Durchführung der Maßnahmen vollständig auswechseln zu können. Gerade die großen, ausschließlich an der Rendite interessierten Vermieter*innen machen sich dieses Instrument zu eigen.
Seit Langem fordert der Mieter/innen-Schutzverein Münster und Umgebung e.V. zusammen mit vielen anderen Interessenvertreter*innen, dass der § 559 BGB – Mieterhöhung nach Modernisierung – komplett abgeschafft wird. Eine Senkung der umlagefähigen Kosten von elf Prozent auf acht Prozent, wie sie derzeit diskutiert wird, ändert nichts an der beschriebenen Problematik.
Die betroffenen Mieter*innen tun sehr gut daran, sich sofort in Mieterinitiativen zusammenzutun, fachlichen Rat einzuholen und die Öffentlichkeit einzuschalten. Dies empfiehlt sich vor allem, um zum einen die Zeit der Baumaßnahme glimpflich zu überstehen und zum anderen, um die Mieten bezahlbar zu halten.

Ulla Fahle, die Autorin des Gastbeitrags, ist Juristin und arbeitet in dem Mieter/innen-Schutzverein Münster und Umgebung e.V.