Urteile

Der Kampf um die Mitbestimmung bei Foodora wird vertagt: Arbeitsgericht Münster will Vergleichsvorschlag machen

Zuerst erschienen in der Münsterschen Volkszeitung. Übernommen mit freundlicher Genehmigung durch Frank Biermann.

Am 1. Mai herrschte unter den gewerkschaftlich organisierten Kurierfahrer*innen von Foodora/Lieferando noch Optimismus, dass das Arbeitsgericht Münster ihnen zwei Tage später den Weg frei machen würde für die Wahl eines Betriebsrats. Oder genauer gesagt, den komplizierten Weg dahin ein Stück weit begradigt, denn das Betriebsverfassungsgesetz, das diese Dinge regelt, enthält dabei einige Hürden aufgebaut. Wie etwa eine Wahlversammlung, auf der ein dreiköpfiger Wahlvorstand gewählt wird, der dann für die weitere Durchführung der Betriebsratswahlen zuständig ist.

Kurierfahrer von Foodora bei der 1. Mai-Demo in Münster. Foto: Frank Biermann

Bislang sei dieses Verfahren noch nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, stellte die Vorsitzende Richterin fest, da zu einer Betriebsversammlung die gesamte Belegschaft eingeladen werden müsse. Dies sei bislang nicht der Fall gewesen. Sie sah es als unstrittig an, dass die Belegschaft in Münster einen eigenen Betriebsrat wählen könne, und nicht als Filiale aus der Kölner Zentrale quasi mitverwaltet wird. In Köln besteht bereits ein Betriebsrat.

Die Richterin will jetzt dem Arbeitgeber in einem Vergleich auftragen, alle ihm bekannten Beschäftigten von Foodora zu einer Wahlversammlung einzuladen. Oder eben – falls der Arbeitgeber nicht einladen will – der Gewerkschaft eine Mitarbeiterliste zur Verfügung zu stellen, damit diese die Beschäftigten einladen kann, was der für die Belegschaft klagenden Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) am liebsten wäre. Dann könnte endlich formal sauber ein Wahlvorstand bestellt werden, der die Betriebsratswahlen einleiten könnte.

Eine abschließende Entscheidung wurde am 3. Mai 2019 nicht gefällt. Die Kurierfahrer*innen verließen sichtlich enttäuscht mit betretenen Mienen das Gericht, mit vielen Fragenzeichen im Kopf, was da nun eigentlich passiert ist. Das Verfahren ruht bis auf Weiteres.

Die Anwältin des Arbeitgebers ließ es offen, ob man diesen richterlichen Vergleichsvorschlag akzeptieren wird. Möglicherweise müssen komplexe Verfahrensfragen in einem neuerlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht geklärt werden. Die rechtliche Besonderheit dieses Verfahrens: Foodora hat zwar etwa 60 Mitarbeiter*innen in Münster, aber keine Betriebsstätte, in der zum Beispiel Aushänge aufgehängt werden können, die Arbeitszuteilung findet über Apps statt, der Betrieb ist rein digital über Smartphones organisiert.

Im Betriebsverfassungsgesetz wird über Betriebsratswahlen in solchen Betrieben bislang nichts gesagt. „Das BetrVG ist an dieser Stelle anachronistisch und muss dringend angepasst werden“, so Piet Meyer, Gewerkschaftssekretär bei der NGG. Er war trotz der Vertagung nicht ganz unglücklich. „Die Richterin hat doch durchblicken lassen, dass sie ganz auf unserer Seite steht und dass es nicht angehen könne, dass die 60 Beschäftigten bei Foodora in Münster keinen Betriebsrat wählen können. Das ist ein deutlicher Fingerzeig in die richtige Richtung“.

Die NGG will jetzt Foodora zeitnah erneut auffordern, eine Beschäftigtenliste zur Verfügung zu stellen. Um die Stabilität der Kurierfahrer*innen in Münster ist ihm nicht bange. „Ich hoffe, dass wir weiter den Schwung mitnehmen können, für alles, was da jetzt noch auf uns wartet.“ Er würde sich wünschen, dass Foodora die für ihn unverständliche Blockadehaltung aufgibt. „So eine Betriebsratswahl kann man auch ganz ohne Gerichtsverfahren regeln“, so Meyer. Die Foodora-Beschäftigten, Pioniere der Mitbestimmung in ihrer Branche, müssen also den dornigen Rechtsweg weiter beschreiten. „Manchmal ist das so, dass ein Rechtsweg dornig ist, wenn er ein neuer ist“, so die fast schon salomonische Zusammenfassung eines für die Beteiligten unbefriedigenden Gerichtstages durch die Gerichtssprecherin Dr. Tatjana Himmen-Kremer. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, sozialpolitische Aufgaben zu lösen. Die alles entscheidende Frage, ob es sich bei Foodora in Münster um eine abgrenzbare Betriebseinheit handele, für die Betriebsratswahlen durchgeführt und ein Wahlvorstand bestellt werden könnten, sei eben noch nicht entschieden worden.

Frank Biermann