Arbeit und Soziales

Acht Stunden Arbeit am Tag reichen

 

Von Carsten Peters

Die neue Bundesregierung aus CDU und SPD will das Arbeitszeitgesetz ändern. Kern des Gesetzes ist der festgeschriebene 8-Stunden-Arbeitstag, der eine Schutzbestimmung für die Beschäftigten ist. Die Gewerkschaften kritisieren das Vorhaben. Dabei sind Ausnahmen bereits heute möglich in einigen Bereichen, etwa bei der Rufbereitschaft von Personal, etwa in Krankenhäusern, bei Feuerwehr, Polizei, Wasser- und Stromversorgern.

Begleitet wurde diese politische Absicht bereits seit längerem durch Forderungen von CDU/CSU und FDP, die eine deutliche Verlängerung der Arbeitszeiten und allgemein mehr Anstrengungen und Arbeitsleistung von den Beschäftigten forderten. Seit längerem fährt insbesondere die CDU eine Kampagne gegen das Bürgergeld und Bürgergeldbeziehende.

Revolution bringt den 8-Stunden-Tag

Der Achtstundentag ist ein historisches Ergebnis der Arbeiter*innenbewegung. Erste Erfolge gab es bereits 1840 in Neuseeland und 1856 in Australien. In Deutschland wurde der Achtstundentag 1884 erstmals bei der Firma Degussa eingeführt. Seit 1918 gilt er flächendeckend als Ergebnis der Novemberrevolution. Das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918 legte ihn fest – bei vollem Lohnausgleich und unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Anordnung zur Arbeitszeitregelung erfolgte am 23. November 1918 durch das Reichsamt für wirtschaftliche Demobilmachung.

Samstags gehört Vati mir

1923 wurde der 8-Stunden-Tag mit der Einführung von 10-Stunden-Tagen wieder aufgeweicht. Die Arbeitszeit blieb bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 umkämpft.

1956 startete der DGB die Kampagne „Samstags gehört Vati mir“ zur Einführung der 5-Tage-Woche, die sich ab 1965 durchsetzte. Die IG Metall forderte ab 1980 eine 35-Stunden-Woche, was in Teilen auch erreicht wurde. Ab den 1990er Jahren kam es in vielen Betrieben wieder zu einer schleichenden Erhöhung auf 40 Stunden – insbesondere für außertariflich Beschäftigte.

Milliarden Überstunden – Millionen unbezahlte Überstunden

Das Arbeitszeitgesetz von 1994 erlaubt eine tägliche Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden, sofern im Schnitt von sechs Monaten acht Stunden nicht überschritten werden. Durch diese Flexibilisierung liegt die maximale Wochenarbeitszeit bei 48 Stunden. In vielen Betrieben regeln Gleitzeit und Betriebsvereinbarungen die Arbeitszeiten zusätzlich.

Die betriebliche Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: 2024 wurden über 1,2 Milliarden Überstunden geleistet – davon rund 638 Millionen unbezahlt. Gleichzeitig sind rund 800.000 Menschen trotz Vollzeit auf Bürgergeld angewiesen. Diese Zahlen zeigen eine Schieflage, die in der öffentlichen Debatte kaum beachtet wird.

CDU-Vertreter forderten nun Rentner*innen dazu auf, mehr zu arbeiten. Laut Statistischem Bundesamt waren 2023 rund 13 % der 65- bis 74-Jährigen erwerbstätig, viele davon aus finanziellen Gründen – manche arbeiten über 40 Stunden pro Woche. Zugleich erreichen viele das Rentenalter nicht gesund und gehen vorzeitig in Rente.

Zahlreiche Stellen bleiben unbesetzt, auch weil viele junge Menschen ohne Abschluss die Schule verlassen. Nur noch rund 19 % der Betriebe bilden aus. Eine umfassende Bildungs- und Qualifizierungsoffensive wäre dringend notwendig.

800.000 Menschen arbeiten Vollzeit und müssen Hartz IV beantragen

Nach dem letzten Tarifabschluss bei der EVG entschieden sich die meisten Beschäftigten für mehr Freizeit statt mehr Geld – ein deutliches Zeichen für den Wunsch nach besserer Work-Life-Balance. Gewerkschaften sprechen sich klar gegen eine Ausweitung der Arbeitszeit aus. Sie sehen die Diskussion als Angriff auf hart erkämpfte Rechte. Gerade viele Teilzeitbeschäftigte müssen heute Beruf, Care-Arbeit und Ehrenamt unter einen Hut bringen – längere Arbeitszeiten wären für sie kaum zu bewältigen.

Die Debatte um Arbeitszeit ist also hochaktuell – und kein Relikt der Vergangenheit. Die Gewerkschaften stellen sich dem politischen Druck entschieden entgegen.

Gastautor Carsten Peters ist stellv. DGB-Verbandsvorsitzender/ Münster