Arbeit und Soziales Rund um Münster Verschiedenes Wohnen

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Münster hat dem Grundgesetz zu seinem 75. Geburtstag 2024
jetzt verspätet den Bremer Platz geschenkt.

Von Jan Rinke

Der vielzitierte Auftakt des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ verlangt immer neue Umsetzungen. Hinter dem Hauptbahnhof wurde daraus ein Stadtraum, für den die Stadt Münster stolze 3.6 Mio. Euro ausgegeben hat. Durch seine Neugestaltung ist der Bremer Platz nach einem umfangreichen Werkstatt-Verfahren zu dem geworden, was der Entwurfstitel des Planungsbüros Brandenfels formuliert hatte: ein „Platz für alle“.

Der neue Bremer Platz: Offene Gestaltung mit zahlreichen Sitzgelegenheiten – Fotos: Agneta Becker

Was auf den Bremer Platz gemünzt reichlich Gruppen meint: Der Platz soll Anforderungen der Hansaviertelbewohner, Hotelgäste, Sicherheitsdienste und Sozialarbeiter*innen, gestrandeten Bahnreisenden, verschiedener Passant*innen zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie Schulkindern der angrenzenden Montressori-Schule berücksichtigen und bewusst auch die der Suchtkranken. Die Menge der Interessen zeichnet ein Abbild unserer Gesellschaft in widersprüchlicher Vielfalt, wobei die Platzgestaltung auch Menschen adressiert, die bisher vertrieben, vielen gar nicht als Teil der Gesellschaft gelten, wodurch die Szene aber nicht verschwindet, sondern anderswo als Problem auftaucht. Das Spiel startet nach der Umgestaltung neu und erschwert die Sozialarbeit. In der vor einem Jahr eingeweihten Neugestaltung hat die Szene einen definierten Ort bekommen, der die Gescheiterten damit als die ernst nimmt, wer sie sind: Menschen in der Stadtgesellschaft, für die der große erste Satz unsere Verfassung genauso gilt wie für alle anderen Menschen auch.

Immi´s Kaffeebar

Ein Platz für alle Gruppen der Gesellschaft

Am nördlichen Ende des Platzes haben sie einen klar definierten und doch offenen Ort bekommen, indem der umschließende Lamellenzaun einen gewissen Sichtschutz bietet und doch Einblicke ermöglicht. Angsterzeugende Versteckmöglichkeiten, wie sie die alte Pergola Gestaltung enthielt, wurden beseitigt. Die offene Gestaltung macht den Bremer Platz komplett überschaubar. Der Platz wirkt deutlich weiter und lädt mit vielen Sitzgelegenheiten zum Verweilen ein. Münster präsentiert sich nun am Hintereingang des Hauptbahnhofs von seiner besten Seite: als Stadt, die alle Menschen in ihrer garantierten Würde ernst nimmt, nicht verdrängt und nicht versteckt.

Natürlich hat die Neugestaltung nicht alle Konflikte lösen können. Diese Selbstüberschätzung haben Architektur- und Städtebaudiskurs vor mehr als 50 Jahren aufgegeben. Zum Teil haben sich Probleme sogar verschärft, weil die unwürdigen Situationen im Allgemeinen Menschen aus anderen Städten angezogen haben. Daher wird nach dem Werkstadt Prozess im Vorfeld der Umgestaltung weiter ein kontinuierlicher Dialog verschiedener Interessengruppen fortgeführt. Aus den Verbesserungen der Gestaltung wird angemessene Sozialarbeit abgeleitet werden. Als Ort, der nicht nur in der Vielfalt seiner Menschen unserer offenen Gesellschaft Raum gibt. Auch den nötigen Verständigungen in Konflikten darf der Bremer Platz seit dem Grundgesetzjubiläum 2024 als Bild der offenen Demokratie gelten. Die mutige Investition hat sich gelohnt und ist einen Besuch wert.