Computer bieten die Lösungen, schaffen aber auch Probleme
von Arnold Voskamp
Wer nicht mit Laptop und Smartphone aufgewachsen ist, konnte in der Zeit der Corona-Seuchen-Maßnahmen sein blaues Wunder erleben. Von einem Tag auf den anderen wurde erwartet, dass sehr viele persönlichen Begegnungen ersetzt wurden durch digitale Dienstleistungen. Bankgeschäfte, Bildung, Ämter, Sozialberatungen, Kultur sollten plötzlich online stattfinden. Sie wurden sehr schematisch und drastisch heruntergefahren, ungeachtet der konkreten Bedingungen.
Das setzt sich bis heute weiter fort, die neu entdeckten Spielräume der Nicht-Begegnung werden offensiv genutzt, um Kosten zu senken und um unerwünschte Publikumskontakte klein zu halten. Und nicht nur das: mit diesem Schub an Digitalisierung kann man besser denn je verfolgen, wo wir uns im Internet bewegen. Schäden und Grenzen solcher digitalen Maßnahmen sind bis heute wenig untersucht.
Lebenslauf mit Smartphone schreiben?
Die Anforderungen an die Schönheit eines Lebenslaufs sind nicht mehr so eng, wie sie mal waren. Trotzdem wird fast immer ein Lebenslauf verlangt, auch für niedrig bezahlte oder nicht besonders qualifizierte Jobs, oder wenn es um einen Stellenwechsel in der gleichen Firma geht. Die Arbeitsämter, Jobcenter und Arbeitsagentur vergeben bezahlte Aufträge an Bewerbungscenter, damit diese bei der Erstellung eines Lebenslaufs helfen. Auch das Malta im Hof des cuba bietet solche Hilfen an – jedoch ohne Geld von der Agentur Arbeit.
Während der Covid-Pandemie waren diese Bewerbungscenter jedoch praktisch dicht. Ein persönlicher Kontakt war nicht möglich. Wer Unterstützung brauchte, weil kein Computer vorhanden war oder ein Lebenslauf nicht schön gestaltet werden konnte, stand dort plötzlich vor einer verschlossenen Tür. Mitarbeiter*innen des Malta fragten bei den Bewerbungscenter nach, wann sie wieder öffnen würden. Die erstaunliche Antwort: „Erst mal nicht. Ratsuchende können anrufen, und sie können an ihrem Smartphone ihre Bewerbung und ihren Lebenslauf gestalten.“
Das Malta hatte sich seine Hilfen mit Masken und mit Trennscheibe und mit Zweit-Bildschirm einigermaßen organisiert, so dass Ratsuchende auch persönliche Unterstützung erhalten konnten.
Malta, Servicezeiten Montag 10 – 16 Uhr, Dienstag und Donnerstag 10 – 14 Uhr.
Unterstützung und Schulung am PC bietet das MALTA an seinen drei Computern jeden Dienstag von 16 – 18 Uhr an. www.maltanetz.de
Bürgergeld nicht nur über das Internet!
Nur 74 Prozent der Bürgergeld-Beziehenden haben einen PC oder Laptop. Oder umgekehrt: 26 Prozent haben keinen. In der Gesamtbevölkerung haben 94 Prozent ein solches Gerät. Nicht ins Internet kommen sieben Prozent der Menschen, die Bürgergeld beziehen. In der Gesamtbevölkerung kommen ein Prozent der Menschen nicht ins Internet, drei Millionen nutzen es nicht. Ausgegrenzt sind insbesondere ältere und weniger gebildete Menschen, sagt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.
Der Zugang zum Internet geht für viele nur über ihr Smartphone. Die technischen Möglichkeiten am Handy, die Darstellung von Formularen und die Eingabebedingungen an einem kleinen Bildschirm sind jedoch wenig praktikabel und schon gar nicht einladend.
Trotzdem setzen die Jobcenter in den vergangenen Jahren vermehrt auf digitale Dienstleistungen, etwa beim Antrag auf Bürgergeld. Mit digitalen Anträgen bauen sie aber für viele Bedürftige große Hürden auf. Offline-Angebote der Jobcenter seien insbesondere für ältere und weniger gebildete Menschen unverzichtbar. (siehe Webartikel des IAB)
Lohnabrechnung selbst herunterladen
Probleme gibt es auch bei der Digitalisierung der Verdienstbescheinigungen. Beschäftigte haben grundsätzlich einen Anspruch auf schriftliche Lohnabrechnung. Inzwischen macht sich eine neue Form der Lohnabrechnung breit: Arbeitgeber stellen die Lohnabrechnung nur auf einem Portal im Internet zur Verfügung. Die Beschäftigten erhalten eine individuelle Zugangsberechtigung und können sich damit ihre Lohnabrechnungen aus dem Internet herunterladen. Das erspart die Arbeit des Verschickens. Für die Beschäftigten wird es schwerer, sich Klarheit über ihren Lohn zu verschaffen. Wer keinen eigenen Computer hat, muss sehen, wie er oder sie die Lohnzahlung versteht. In diesem Fall sollten Sie darauf drängen, dass Sie weiter einen Papierausdruck bekommen.
Recht auf analoges Leben
Die Initiative Digitalcourage will die Fähigkeiten verbessern, mit denen die Menschen sich im Netz bewegen. Sie hat dabei diejenigen im Blick, die bislang sehr weit abgehängt sind vom digitalen Leben, etwa Leute, die keinen PC und kein Smartphone haben. Die bei Bankgeschäften, bei den Paketstationen, beim Anmelden zu einer ärztlichen Behandlung oder bei einer Stadtverwaltung am Anmeldeverfahren verzweifeln. Digitalcourage vertritt aber auch diejenigen, die gut damit umgehen können und sich darum vor den Folgen großer Digitalmacht schützen wollen. Digitalcourage fordert ein „Recht auf analoges Leben“: siehe Webseite
Das Thema Digitalisierung ist hier nur aus einzelnen Blickwinkeln beschrieben, es ist ziemlich vielschichtig.
Die erste Reaktion in der Sperre-Redaktionssitzung machte deutlich, dass es allen auf den Nägeln brennt. Wir bleiben also dran und machen im nächsten Heft weiter. Wer sich beteiligen will, ist eingeladen. Schreibt uns, sprecht oder ruft uns an.