Bürgerinitiative will belastete Namen behalten
Von Werner Szybalski
Kehrt mitten im Kommunalwahlkampf in Münster der Kulturkampf auf die Straßen Münsters zurück? Ausgerechnet um Straßennamen? Anfang Mai entschied die Bezirksvertretung Münster-Mitte, die jahrelange Diskussion um belastete Straßennamen aus der Zeit des Nationalsozialismus mit einem Mehrheitsbeschluss zu beenden.
Fünf Straßen in Münster-Mitte, die Admiral-Speer-Straße, die Admiral-Spree-Straße, die Otto-Weddigen-Straße, die Langemarckstraße und die Skagerrakstraße sollen umbenannt werden. Vier der fünf Straßen gehören zum von den Anwohner:innen „Marineviertel“ genannten St. Mauritzer Wohnquartier am Kanal. Die Langemarckstraße verbindet das Kreuzviertel mit Uppenberg und kreuzt den Cheruskerring, der übrigens 1935, also während der Naziherrschaft, so benannt wurde. Die örtliche Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ sammelt aktuell Unterschriften für ein Bürgerbegehren, dass den Beschluss rückgängig machen soll.

Jahrelange Diskussion über belastete Straßennamen in Münster
Vorausgegangen war eine jahrelange Diskussion in der lokalen Politik, wie mit den schon 1947 geforderten Umbenennungen der in der Nazizeit mit ideologischem Hintergrund benannten Straßen umzugehen sei. Die „Danziger Freiheit“ verschwand schon vor knapp fünf Jahren. Der Schlossplatz ist seit 2012 den Namen des ehemaligen Reichspräsidenten Hindenburg los. Der Generalfeldmarschall von Hindenburg wird in Münster auf Wunsch der lokalen SPD in der nicht umbenannten Tannenbergstraße als Schlachtensieger über das russische Militär aber weiterhin geehrt. Noch sind nicht alle Umbenennungen entschieden, aber die Luft ist eigentlich raus. Nur die Bürgerinitiative und eine kleine Ratsfraktion sind aktuell aktiv.
In der Diskussion sind noch Andreas-Hofer-Straße, Manfred-von-Richthofen-Straße und Ostmarkstraße im Stadtbezirk Mitte, um deren Namensänderung die Bezirksvertretung den Rat der Stadt gebeten hat. In Hiltrup wird über die Heideggerstraße diskutiert und im Südosten Münsters über Lüderitzweg und Woermannweg. Die Internationale Fraktion/ Die Partei ÖDP im Rat der Stadt Münster problematisierte in der Maisitzung des Rates die Wolbecker „Franz-von-Waldeck-Straße“. Sie ist nach dem Fürstbischof benannt, der die Wiedertäufer niedergeschlagen und unter anderem deren Anführer erst foltern, dann töten und schließlich ihre Leichen in den Käfigen an der Lambertikirche den Vögeln zum Fraß aufhängen ließ.
Leitlinien für Ehrungen im öffentlichen Raum
Schon 2021 (Münster-Mitte) und 2022 (Münster-West) hatten Bezirksvertretungen umfassende Prüfaufträge der Straßennamen in ihren Bezirken auf Bezüge zum Nationalsozialismus sowie Kolonialismus an die Verwaltung gegeben. Dazu kamen seitdem Einzelprüfaufträge aus Bürgeranregungen. Die Politik äußerte weiterhin Wünsche nach der Entwicklung von Diskussions- und Informationsformaten, der Einbindung von Schulen, Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie die Realisierung von Ausstellungen oder vergleichbaren Informationsangeboten.
Diese Grundlagendiskussion endete 2024 mit der Verabschiedung der „Leitlinien für Ehrungen im öffentlichen Raum“ als Anhang zur Ratsvorlage V/0247/2024. Darin betont die Stadt Münster „ihre historische Bedeutung als eine europäische Friedensstadt“ und ruft zu »Toleranz durch Dialog« auf. Der Rat und die Bezirksvertretungen hätten die Verpflichtung bei Ehrungen im öffentlichen Raum, also auch bei Straßennamen, „die Menschenrechte, das Völkerrecht und demokratische Werte hochzuhalten.“

Mitte beschließt fünf Umbenennungen
Vier der fünf Straßen im von Anwohner:innen „Marineviertel“ genannten Mauritzer Wohnquartier am Kanal werden umbenannt. Dies beschloss Anfang Mai die Bezirksvertretung Münster-Mitte gegen die Stimmen von CDU und FDP. Die Grünen, die SPD und Volt stimmten in allen sieben Tagesordnungspunkten zu möglichen Umbenennungen gemeinsam. Fünf Mal stimmten auch die beiden Bezirksvertreter der Linken mit der Mehrheit. In den beiden Fällen (Tannenbergstraße im Kreuzviertel und Prinz-Eugen-Straße in Geist), in denen anders als ursprünglich angedacht, nun doch keine Umbenennung erfolgen sollte, beantragte Die Linke die Änderung; verlor aber die Abstimmung.
Einen neuen Namen werden die Admiral-Scheer-Straße, die Admiral-Spee-Straße, die Otto-Weddigen-Straße und die Skagerrakstraße – alle im „Marineviertel“ in Mauritz – bekommen. Zudem soll das „c“ im Namen der Langemarckstraße in Uppenberg getilgt werden. Diese Straßen wurden alle in der Zeit des Nationalsozialismus so benannt. Dabei stand damals der Propaganda-Charakter bei der Benennung der Straßen im Vordergrund, ergaben wissenschaftliche Untersuchungen.
Umbenennung wurde schon 1947 empfohlen
Direkt nach der Besatzung durch die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg wurden auch in Münster Straßen, die nach führenden Nazis benannt waren, wieder umbenannt. Eine Benennungskommission, besetzt mit Ratsmitgliedern, Verwaltungsmitgliedern, sachverständigen Lokalhistorikern und dem Stadtarchivar, untersuchte die Gesamtliste der städtischen Namen danach, welche wegen militaristischer Namen – also auch Weltkriegsgeneräle wie Hindenburg oder Schlachtorte wie Langemarck – von den Schildern zu verbannen seien. Am 1. August 1947 beschloss diese Kommission das insgesamt 26 Umbenennung erfolgen sollten. Darunter alle fünf Straßen, deren Namen nun endlich aus dem Stadtbild verschwinden sollen. Die Tannenbergstraße war übrigens 1947 auch auf der Liste.
Anwohner:innen sammeln Unterschriften für Bürgerbegehren
Doch der Beschluss der Bezirksvertretung könnte die Stadtgesellschaft noch länger beschäftigen, denn direkt im Anschluss an die Sitzung verkündete die Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“, dass sie die Entscheidungen mit einem Bürgerbegehren anfechten wollen. Rund 6.000 rechtsverbindliche Unterschriften von in Münster-Mitte wahlberechtigten Bürger:innen muss die Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ sammeln, damit sich das kommunale Gremium nochmals damit befassen muss. Stimmt die Mehrheit dann noch immer für die Ablöse der militaristisch-faschistisch belasteten Straßennamen, könnte es zum erste Bürgerentscheid im Stadtbezirk Münster-Mitte kommen.