Arbeit und Soziales aus dem Magazin

Gut beraten vor Gericht

Aus der Sperre Winter 2019

Wer sein Recht juristisch durchsetzen will oder muss, kann Rechtsberatung und bei Bedarf Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen

Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe – das haben schon viele auf dem sogenannten Rechtsweg erfahren müssen. Damit möglichst viele ihr Recht auf diesem Weg bekommen, auch wenn sie arm sind oder kaum über finanzielle Reserven verfügen, hat jede*r das Recht auf kostenlose Beratung und unter Umständen auf Prozesskostenhilfe, sollte es vor Gericht gehen.

Vorherige Beratung ist also durchaus sinnvoll, wenn man nicht selbst Jurist ist oder vergleichbare Vorkenntnisse besitzt. Glücklicherweise gibt es in Münster einige Anlaufstellen, die sogar kostenlose Rechtsberatung anbieten (siehe Kasten 1). Die helfen, sich im Paragraphendschungel zu orientieren. Und sie helfen, die richtige Entscheidung zu treffen bei der Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf dem weiteren Rechtsweg mit einer Klage vor Gericht zu ziehen. Mit der öffentlichen Rechtsberatung und der Prozesskostenhilfe eröffnet der Rechtsstaat Menschen mit niedrigem Einkommen, ihre Belange juristisch angemessen zu vertreten und stellt zumindest formal damit Rechtsschutzgleichheit her. So soll für alle Bürger*innen Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung gewährleistet sein. Dabei ist zu beachten: Die Beratungshilfe kann ausschließlich bei Fällen im außergerichtlichen Bereich gewährt werden, während die Prozesskostenhilfe für die Rechtsvertretung vor Gericht vorgesehen ist.

Foto: Thomas Krämer

Kostenlose Rechtsberatung

Kostenlose Beratung gewährt die Law Clinic Münster, ein eingetragener, gemeinnütziger Verein mit 80 Mitgliedern, der auf eine Initiative von Jura-Studierenden zurückgeht. „Wir wollen, dass die Ratsuchenden eine umfassende Beratung bekommen“, sagt Vereinsvorsitzender Lasse Kieft. Diese Aufgabe übernehmen vor allem angehende Jurist*innen. Derzeit stehen 15 Beratungsteams mit jeweils zwei Studierenden zur Verfügung. Dazu kommen 14 erfahrene Volljuristen in einem Beirat, die den jungen Kolleg*innen zur Seite stehen, etwa wenn ein Rechtsrat erteilt werden muss. Dieses Recht steht nur Juristen mit abgeschlossenem Examen zu.
„Wir beraten alle Menschen, die nach der Abgabenordnung als bedürftig gelten“, erklärt Kieft. Er steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums. Für Studierende und Schüler*innen steht das ehrenamtlich erbrachte Beratungsangebot ebenfalls offen. Ausgeschlossen sind Ratsuchende, die eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Das gilt im Übrigen sowohl für die Beratungs- als auch die Prozesskostenhilfe allgemein.
Bedingung, um die Beratung in Anspruch nehmen zu können, ist das Ausfüllen eines Kontaktformulars. Das ist jedoch nicht über die Homepage des Vereins zu bekommen, sondern: „Wir sind am besten über unsere Partner, die Caritas und das Diakonische Werk, zu erreichen, die vermitteln den Kontakt“, so Kieft, „neuerdings arbeiten wir auch mit dem Bildungsträger GEBA zusammen.“ In strafrechtlichen Verfahren können die Jurist*innen in spe nicht weiterhelfen, weil „wir kein Zeugnisverweigerungsrecht hätten.“ Auch kurzfristig reagieren zu können, wie in einer Anwaltskanzlei üblich und oft nötig, ist ihnen nicht möglich. Rechtsanwälte*innen werden nicht vermittelt, dafür ist der Anwaltsverein der richtige Ansprechpartner.

Egal, welches Beratungsangebot Ratsuchende wahrnehmen, sie sollten in jedem Fall auf die Vollständigkeit ihrer Unterlagen achten. Ebenso auf die Einhaltung von Fristen, damit nehmen es Jurist*innen ganz genau. Darauf weist auch Heike Kammerer von der Rechtsberatung des JiB im Gleis 22 hin. Sie hält jeden Montagnachmittag eine offene Sprechstunde für jüngere Leute bis 27 ab. Die Beratung, eine Einrichtung des Jugendamtes, ist bis auf die Schließzeiten durch Feiertage etc. ganzjährig möglich und erstreckt sich auf alle Rechtsgebiete.
„Wir halten das Angebot bewusst niedrigschwellig, um nicht unnötige Hemmungen aufzubauen“, erklärt die Juristin. Die elterliche Begleitung der jungen Ratsuchenden sei durchaus erwünscht. Rund hundert Fälle kämen im Laufe eines Jahres zusammen. Auch im Jib werden keine Rechtsanwälte*innen vermittelt, zur Schuldnerberatung wird an andere Stellen verwiesen. „Die meisten Beratungsfälle sind außergerichtlich zu klären“, weiß Kammerer aus 13-jähriger Erfahrung.

Heike Kammerer von der Rechtsberatung des JiB im Gleis 22, Foto: Thomas Krämer

Amtsgericht, Beratungsstelle oder direkt zu Anwalt oder Anwältin

Wer doch eine anwaltliche Beratung oder Vertretung braucht und nur über ein geringes Einkommen und Vermögen verfügt, der oder die kann in Nordrhein-Westfalen mündlich oder schriftlich Rechtsberatung beim Amtsgericht am Wohnsitz beantragen – genau gesagt bei der Rechtsantragsstelle für Zivilsachen. Persönliches Erscheinen ist in jedem Fall notwendig, ebenso ein gültiger Personalausweis oder Reisepass. „Wir leisten Hilfestellung beim Ausfüllen des Antrags, allerdings keine Rechtshilfe“, lautet die Auskunft beim Amtsgericht Münster in der Gerichtsstraße. Das Gericht kann auch an externe Beratungsstellen verweisen, wenn es das für ausreichend hält. In Münster etwa kämen dafür das cuba, Jugendamt oder Wohlfahrtsverbände in Frage.
Wird der Antrag bewilligt, erhält der oder die Antragsteller*in einen sogenannten Beratungshilfeschein. Grundlage dafür ist das Beratungshilfegesetz. Den Schein kann man dann dem*der Anwalt*in seines Vertrauens vorlegen. Anwendbar ist der Schein auf Angelegenheiten aller Rechtsgebiete. Geht es um strafrechtliche Sachverhalte oder um das Ordnungswidrigkeitenrecht, wird lediglich Beratung gewährt.

Doch nicht nur Anwälte*innen lassen sich mit dem Beratungsschein zu Rate ziehen, auch Steuerberater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen und Rentenberater*innen können Sie damit aufsuchen. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, für den besteht kein Anspruch auf Beratungshilfe.
Alternativ kann man auch direkt eine*n Rechtsanwalt*in einschalten und um Beratungshilfe nachsuchen. Diese*r würde dann den im Auftrag den Beratungshilfeschein beim Amtsgericht beantragen. Auf die dafür fällige Gebühr von 15 Euro verzichten manche Anwälte*innen. Über den Schein rechnet der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin seine erbrachten Leistungen mit dem Gericht ab: neben der Beratung auch die Vertretung, den Schriftverkehr und die komplette außergerichtliche Regelung von Streitfällen. Die Kosten dafür übernimmt die Landeskasse.

Dazu noch ein Hinweis: Es empfiehlt sich, den Beratungshilfeschein zu beantragen, bevor ein Rechtsbeistand beauftragt wird. Denn oftmals beantragt der die Beratungshilfe nachträglich. Lehnt das Amtsgericht dann den Antrag ab, muss meistens der*die Antragsteller*in die Anwaltskosten tragen.

Beratungshilfe ist nicht gleich Prozesskostenhilfe

Und noch etwas: Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe bitte nicht verwechseln. Beratungshilfe wird für die außergerichtliche Regelung von rechtlichen Auseinandersetzungen erteilt. Ist bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet, ist der Zug für die Beratungshilfe abgefahren.
Außerdem darf keine Mutwilligkeit vorliegen. Die liegt vor, so das Gesetz, „wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht“. Für ein Verfahren muss also eine gewisse Aussicht auf Erfolg bestehen.
Die Prozesskostenhilfe deckt die Kosten für das Gericht und den eigenen Anwalt oder die eigene Anwältin in einem Gerichtsprozess ganz oder in Teilen ab. Wenn das Gericht eine (teilweise) Kostenübernahme verfügt hat, kann diese in Raten erfolgen (bei der Beratungshilfe nicht!). Geht ein geführter Prozess verloren, sind zusätzlich die Kosten des gegnerischen Anwalts selbst zu tragen.
Prozesskosten- und Beratungshilfe können nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer in Anspruch nehmen. Selbst wenn sie keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Daher sind sie für geflüchtete Menschen wichtige Rechtsinstrumente.

Für die Gewährung von beiden Rechtshilfen ist jedoch Voraussetzung, dass die Antragsteller*innen nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Kosten des Verfahrens selber zu übernehmen. Entsprechend gelten für beide die Vorschriften nach § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Zur Beurteilung werden in einem komplizierten Verfahren Einkommen (auch Kindergeld) und Ausgaben (auch Schulden) gegengerechnet, die*der Antragsteller*in gegenüber dem Gericht angeben und nachweisen muss. Meistens jedoch sind die Voraussetzungen für den Bezug von Beratungs- und Prozesskostenhilfe erfüllt, wenn ein Anspruch auf Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz besteht.

Hilfreiche Adressen, Rufnummern und Links im Internet:

  • Beratungshilfegesetz: www.gesetze-im-internet.de/berathig/index.html
  • Antragsformular für den Beratungshilfeschein: justiz.de/formulare/zwi_bund/agI1.pdf
  • Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Infos und Broschüre zum herunterladen gibt es hier: „Beratungs- und Prozesskostenhilfe“
  • Amtsgericht Münster; Gerichtsstraße 2, 48149 Münster; Postanschrift: Postfach 6165, 48136 Münster; Tel. (0251) 49 40, Fax (0251) 494 25 80, E-Mail: siehe Hinweise auf http://www.ag-muenster.nrw.de
  • Law Clinic Münster (Studentische Rechtsberatung e.V.); Korrespondenzadresse: Bispinghof 24/25, 48143 Münster; Internet: lawclinicmuenster.de ; E-Mail: info@lawclinicmuenster.de (Caritas und Diakonie (siehe unten) vermitteln Rechtsfälle an die Law Clinic weiter.)
  • Jib (Jugendinformations- und Bildungszentrum) der Stadt Münster; im Gleis 22, Hafenstaße 34, 48153 Münster; Tel. (0251) 492 58 58; E-Mail: jib@stadt-muenster.de; Rechtsberatung durch Juristin Heike Kammerer immer montags von 15.30 bis 18.30 Uhr
  • cuba; Arbeitslosen- und Sozialberatung; Achtermannstraße 10-12, 48143 Münster; Tel. (0251) 588 56, Fax (0251) 51 85 43; E-Mail: sic@muenster.de; Internet: www.sozialbuero.net; offene Sprechstunde: Do 9.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr
  • Anwaltsverein Münster; Vereinigung der Rechtsanwälte und Notare Münster e.V.; Bergstraße 10, 48143 Münster; Tel. (0251) 418 41 24, Fax (0251) 573 84; E-Mail: mail@anwaltverein-muenster.de; Internet: www.anwaltsverein-muenster.de

Schuldnerberatung:

  • Sozialamt Münster; Hafenstraße 8, 48153 Münster; Tel. (0251) 492 50 36, Fax (0251) 492 79 55; E-Mail: sozialamt@stadt-muenster.de; Internet: www.stadt-muenster.de/sozialamt/schuldnerberatung
  • Arbeiterwohlfahrt Münster; Hochstraße 12, 48151 Münster; Tel. (0251) 77 94 25, Fax (0251) 77 94 24; E-Mail: e.rehm@awo-mslre.de; Internet: www.awo-msl-re.de; offene Sprechstunde: Mi 9 bis 12 Uhr, Termine nach Vereinbarung
  • Caritasverband für die Stadt Münster e.V.; Soziale Schuldner- und Insolvenzberatung, Josefstraße 2, 48151 Münster; Tel. (0251) 53 00 93 40, Fax (0251) 53 00 93 11; E-Mail: schuldnerberatung@caritas-ms.de; Internet: www.caritas-ms.de; offene Sprechstunde: Mi 15 bis 18 Uhr (Einlass bis 17 Uhr)
  • Diakonisches Werk Münster; Fliednerstraße 15, 48149 Münster; Tel. (0251) 8 90 90, Fax (0251) 89 09 32; E-Mail: info@diakonie-muenster.de; Internet: www.diakonie-muenster.de
  • Verbraucherzentrale NRW e.V., Beratungsstelle Münster; Aegidiistraße 46, 48143 Münster; Tel. (0251) 20 86 53 06, Fax (0251) 20 86 53 09; Internet: www.verbraucherzentrale.nrw; Öffnungszeiten: Mo und Do 9.30 bis 17 Uhr, Do 9.30 bis 18 Uhr, Fr 9.30 bis 13 Uhr, Di geschlossen

Rechtshilfe am Amtsgericht Münster:

  1. Auf Anfrage teilt das Amtsgericht mit, dass in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 1472 Anträge auf Beratungshilfe außerhalb eines anhängigen Gerichtsverfahrens gestellt wurden. 49 davon wurden zurückgewiesen. Wie viele Antragsteller*innen den Antrag selbst gestellt haben oder durch einen Rechtsanwalt vermittelt wurden, geht aus den Angaben nicht hervor.
  2. Prozesskostenhilfe wird nur im Zusammenhang mit einem konkreten Rechtsstreit beim Amtsgericht entweder in Familiensachen oder in Zivilsachen gewährt. Im Jahr 2018 sind 650 Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Fälle des Familienrechts gestellt worden, wovon 40 abgelehnt wurden. Im zivilrechtlichen Bereich sind 22 von insgesamt 139 Anträgen zurückgewiesen worden.