aus dem Magazin

Stolz steht „Die 31“

stolz-stehtWie es BewohnerInnen gelang,
ein markantes Haus und preisgünstige Wohnungen zu erhalten

Vor 50 Jahren plante die damals regierende CDU die komplette Umgestaltung des Dreiecks Grevener Straße, Steinfurter Straße und Yorkring.
Vor 10 Jahren fing dort der Abriss einiger Häuser an und es wurde um den Erhalt des Eckhauses Grevener Straße 31 gekämpft.

Ein Rückblick von Elske Schiemann

Stolz stand „Die 31“, ein zirka hundertjähriges Gebäude, da wo in Münster Grevener Straße und Steinfurter Straße aufeinander stoßen. Schon vor rund 45 Jahren schien sie ersten Absichten von Politik und Verwaltung zu trotzen, es einfach platt zu walzen. Und so fanden sich rasch die Gegner solcher Abrisspläne zusammen, um das prägnante Haus schon 1972 für einige Tage zu besetzen und seine Zerstörung zu verhindern.
Danach rückte „Die 31“ noch einige Male ins Visier der Planer und der Abrissbirne. Die Bewohner verteidigten sie aber entschieden und halfen mit Rat und Tat, ihre Substanz so weit zu erhalten, dass der Bau nicht aufgegeben werden musste.

Auf der Außenfläche des prominenten Wohnhauses fanden regelmäßig Sommerfeste statt. Bei Live-Musik, Essen und Getränken gab es ein gemütliches Beisammensein. „Hier lebt der Geist, der aus Städten und Dörfern lebenswerte Räume macht, und wo jene Geschichten erlebt werden, die man gerne weitererzählt.“ (Sperre 10/11 2006)

Und was ist nun aus unserer Bauschönheit geworden?

Vor genau zehn Jahren widmeten wir ihr von der Sperre-Redaktion eine Titelstory und berichteten über einen von Abriss bedrohten Lebensraum für 18 BewohnerInnen, ein Wohnkollektiv, eine Lebensgemeinschaft.
Während einige benachbarte Häuser an der Grevener Straße – und damit preiswerter Wohnraum – neueren Wohnhäusern weichen mussten, blieb der „31“ dieses Schicksal erspart. Im Frühjahr 2012 gründete sich der Mieterverein „Grevener Straße 31“, der mit der Wohn- und Stadtbau einen Sanierungsvertrag vereinbarte. Die städtische Gesellschaft stellte während der Renovierungsphase sogar Übergangswohnungen für die Hausgemeinschaft in der Grawertstraße zur Verfügung.
2013 kehrte durch 19 BewohnerInnen das Leben in das Haus zurück. Die „31“ wurde ihnen „roh“-saniert übergeben, so dass sich die Bewohner wie zuvor gestalterisch frei und nach ihren Wünschen entfalten konnten. Auch viele Malereien aus den zurückliegenden Jahrzehnten blieben im Haus erhalten.
Zwischen dem Verein und der Wohn- und Stadtbau besteht ein Mietvertrag mit einer 20-jährigen Laufzeit, der ein preiswertes Wohnen im sozialen Wohnungsbau garantiert. Die Furcht vor einem möglichen Abriss ist verflogen. Die Hausversammlungen alle zwei Wochen haben inzwischen andere Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel: „Wer macht wann welche Tätigkeiten im Haus?“, „Wie können wir politisch nach außen treten?“ oder „Wie gehen wir mit Konflikten um?“. Alle Entscheidungen treffen die BewohnerInnen im Konsens. Sie engagieren sich auch weiterhin für soziales und bezahlbares Wohnen in Münster.

Elske Schiemann
Elske Schiemann

Das klingt alles super, doch leider gibt es auch bei dieser Geschichte einen Wermutstropfen. So liebevoll das Innere des Hauses renoviert und gestaltet wurde, so brachial wurde das Außenbild verschandelt.
Moderne graue Balkone und eine riesige kalte graue Eingangstür verunzieren die einst das Stadtviertel prägende „31“. Und es kommt noch schlimmer: Seelenlose hässliche Neubauten quetschen sich nun an das alte Gemäuer, lassen sie kaum atmen, und die alte ehrwürdige Rose degeneriert zum Mauerblümchen.
Anscheinend haben viele Architekten immer noch nicht verstanden, dass es Häuser gibt, die leben, die auch um sich herum etwas Raum brauchen, um sie und ihre Bewohner leben lassen zu können.

Der „31“-Hausgemeinschaft gelingt es trotzdem: Die Partys verlegten die BewohnerInnen ins Haus, im Sommer vor zwei Jahren wurde sogar im kleinen Park an der Melchersstraße gefeiert. Ein Geschenkeregal steht jetzt im Eingangsbereich, und politisches wie soziales Engagement kommt nicht zu kurz. Einer der Bewohner erzählt: „Es ist schön, wenn wir draußen von Neugierigen angesprochen werden. Das Haus steht weiterhin offen für Interessierte. Neulich klingelte jemand. Vor der Tür stand ein ehemaliger Bewohner, der sich noch mal das Haus ansehen wollte. Er war vor 44 Jahren einer der Hausbesetzer“.

Sperre Redaktion
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